1. Moreton Gardens.
London
Dec. 20.
Theuerste Frau Schumann.
Ich beeile mich Ihre lieben Zeilen vom 17.ten zu beantworten.Ich finde Sie haben ganz recht gehabt Frl Fillunger anzurathen Engagements anzunehmen – und es |2| ist mir nur lieb daß sie etwas verdienen kann. – Ich bin überhaupt der Meinung daß sie nicht das opfer bringen sollte nach London zu kommen – denn in kurze Zeit kann ich nichts thun – und ob es recht ist das Mädchen mit einer neuen Schule zu schlagen |3| und Confus machen – mein ich nicht. Ich werde wahrscheinlich viel mit der Mundstellung und Athmen zu thun haben – und diese beiden Sachen allein zu lernen, ist sehr schwer, und fordert viel Zeit. Es ist gewiss nicht aus Mangel an gute Wille dem Mädchen – Euretwegen, theure Kunstschwester – |4| zu helfen – allein ich muss sagen – ich finde das Opfer für Frl. Fillunger ist zu gross um ein unsicheren Gewinn. Wenn sie mein Rath annimmt so bleibt sie lieber bei der jetzigen Art ihres Gesanges, und da sie schon Engagements bekömmt, so ist das ja ein Beweiss daß man sie mag! – Ob ich in London im Juli bin – kann ich unmöglich sagen. ich habe so |5| in der Überzeugung daß es viel besser sey Frl. F. lässt mich ganz aus der Rechnung. Ausserdem: Wahre, äechte Gesang – wie ich es nur lernen könnte, – ist nicht mehr verstanden. die Menschen haben so viel schlechtes während 20. Jahren gehört, daß ihr Beurtheil ist falch und unrichtig geworden! Unbeschreiblich leid thut es uns daß Ihren Sohne so krank sey. Gott erhalte Sie in allen Prüfungen! Wir sind wohl – |6| viel an Neuralgia gelitten seit October daß ich das Haus fort immer hüte – ich weiss mein Artzt will keineswegs daß ich, wie dies Jahr in der Londoner Hitze bleibe, denn ich war hier sehr krank im Juni und Juli. so nach Ende Mai – Anfangs Juni – konnte kaum auf mich gerechnet werden. Überlegen Sie – Geliebte Freundin – mit Frl. F. was ich hier erwähnte – und kommen Sie selbst mein Mann grüsst herzlichst!
Ihre Sie stets mit unwandelbare Liebe
ergebene
Jenny Lind-Goldschmidt
|