23.01.2024

Briefe



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ID: 18313
Geschrieben am: Sonntag 29.12.1895
 

Wien den 29. Dezember. 1895.
Liebe, hochverehrte Frau Schumann!
Ich weiß, daß Sie in diesen Tagen überfluthet werden mit Briefen u. Glückwünschen, u. es ist fast unrecht, die Zahl der Briefe noch zu vermehren; aber kommen möchte ich deshalb doch, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, um Ihnen u. der lieben Fräulein Marie |2| die allerherzlichsten Glück- und Segenswünsche zum neuen Jahr darzubringen! So herzlich gedachten wir Ihrer, liebste, theuerste Frau, als wir am Weihnachtsabend diesmal ohne unsre Söhne1 – ganz allein mit Brahms zusammen waren. Wir hoffen u. wünschen nur daß Frl. Marie unterdessen von ihrem Leiden befreit wurde,2 u. sich wieder wohl befinden möge. Jedenfalls wird sie sich sehr in Acht nehmen müssen, denn mit einer solchen Sache, wie sie sie hatte, ist nicht zu spaßen! Wir haben einen sehr netten, gemüthlichen Abend mit Brahms |3| verlebt, der mir wieder auf allerhand Scherze ordentlich „aufgesessen“ ist. Ich bescherte ihm einen – Blumentisch! – voller Blumen, von dem ich hoffte, daß eine so „poetische Gabe“ ihn erfreuen würde. Er betonte natürlich auf’s Freundlichste, daß er freilich Freude an Blumen habe, aber gar keinen Platz für einen Blumentisch! Der Gute! Es war natürlich ein arger „Aufsitzer“ – denn unter dem Blumentisch war ein Clavierstuhl, den er sehr nöthig brauchte, verborgen, u. unter jedem gemachten Blumentöpfchen, deren eine Menge unter die |4| „Ächten“ gemischt waren, – befanden sich alle seine Lieblingssachen als: Schlipse, Handschuhe, Sardinen, Gänsleber – etc. etc. etc. – – – was er zum Frühstück u. Abendbrod gerne hat. Kurz, es ist ein wahres Vergnügen, Brahms solche Späße zu machen, er hat eine so liebe Freude damit, u. fällt immer so nett herein, daß er selbst drüber lachen muß hinterdrein. – Da haben wir dann Abend’s beim Glase Wein all’ unsrer Lieben Deutschen gedacht, u. nicht zum mindesten an Sie, liebe theure Frau Schumann, u. auf Ihr Wohl angestoßen – möchten Sie u. all’ Ihre Lieben ein gesundes, fröhliches Jahr anfangen, u. gesund bleiben u. uns ein wenig lieb behalten!
Innigst küßt Ihnen die liebsten Hände in hoher Verehrung u. Liebe Ihre Maria Fellinger

  Absender: Fellinger, Maria (443)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
328f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,310
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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