23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 17553
Geschrieben am: Samstag 01.12.1894 bis: 31.12.1894
 

Liebe, hochverehrte Freundin!
Wie liebenswürdig ist es von Ihnen mir einen so theilnehmenden Brief zu
schreiben. Ich hatte selbst auf unser 25 jähriges Bestehen der Schule1 kein
Gewicht gelegt, da man in Preußen nur 50 Jahre zu berücksichtigen pflegt.
Ja, wenn mein Wunsch erfüllt worden wäre ein passendes, auch dem Schönen
in etwas Rechnung tragendes Gebäude 1894 aufzurichten,2 hätte ich
wohl eine Feier geplant; aber leider ist ohngeachtet Spitta’s und meiner
Bemühung dafür nichts daraus geworden, wenngleich wir schon |2| dem
Ziel nahe schienen; Gedanke und Plan waren vom Cultusminister3 günstig
angesehen, auch Miquel4 zeigte sich geneigt – da kamen die Räthe aus dem
Finanzministerium, zwei richtige Büreau-Fexe! und – aus war der Zauber.
– Sie wollten uns mit einem Neubau an den Zoologischen Garten
setzen, und für diese Verbindung dankte ich. Ach, das Finanzministerium!
Auch unser armer, trotz allem lieber Woldemar5 weiß was davon zu erzählen;
sie zahlen einen Theil unsrer wahrlich nicht hochbemessenen Gehälter
als „Remuneration“,6 um nachher keine Pension zu zahlen zu haben!!!
|3| Verzeihen Sie diesen Stoßseufzer. Aber die Überraschung von Seiten
der Lehrer war vollkommen gelungen, ich hatte keine Ahnung da ich einige Tage verreist war,7 und von dem Studium meines G dur Concerts durch
Hausmann, mit Halir als Solist nichts merkte.8 Es ist doch hübsch wenn
Schüler von ehemals verbunden mit den jetzigen so vorzügliches leisten –
man weiß doch daß man sich nicht immer vergebens plagt. –
Wie leid thut es mir, daß Sie von dem wahrhaft brittischen Nebelwetter
den bösen Rheumatismus haben. Möchte die wie es scheint eintretende
Klarheit Besserung bringen. Daß ich Ihrer und der lieben Ihrigen immer
denke und mit den innigsten Wünschen, darf ich |4| wohl aus tiefstem
Herzensgrund sagen. Sähe ich Sie nur öfter! Es ist mir jedesmal wohlthätig,
verehrte Frau, Ihr schönes, vergeistigtes Dasein vor mir zu haben.
Gebe Ihnen Gott ein gutes, gesegnetes Jahr.
Ich muß gleich in’s Quartett,9 wollte vorher noch sagen, wie sehr ich
immer bin und bleibe
Ihr
in Treue ergebner
Joseph Joachim

Berlin, d. 28. Decbr

Neujahr werde ich wie gewöhnlich in Leipzig sein,10 mein Johannes11 begleitet
mich. Sylvester mit Engelmanns bei ihrer Mutter,12 Neujahr mit
ihnen bei Frau v. Holstein:13 Herzogenberg,14 Röntgen15 etc etc. Wach ist in Wien,16 wie ich höre.
◊1Meine Söhne17 und Frau v. Beulwitz18 empfehlen sich herzlich Ihnen und
den Ihrigen.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1473ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.