23.01.2024

Briefe



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ID: 22938
Geschrieben am: Donnerstag 04.01.1894
 

|2| Liebe Clara.
Ich denke, unsre letzten Briefe haben sich gekreuzt u. so hat es mich amüsirt daß Du die Uebungen für Dich u. Deine Schülerinnen so vorsichtig angesehen hast wie ich es rieth. Gar Warnungstafeln angebracht u. Erlaubtes bezeichnet! Daß sie Dir, in gehöriger Entfernung gehalten, außerdem Freude<n> machen, macht mir wieder welche.
Frl. Eugenien danke ich aber ganz besonders für den einigen „Klatsch“ – es war aber gar keiner u. lauter Sachen, die mich sehr interessiren u. denen ich weiter nachfragen würde – |3| wenn ich mit am lieben Frühstückstisch säße.
Die Heirath der Barbi wird jetzt wahrscheinlich ganz schnell vor sich gehen. Stelle sie Dir nicht zu ideal, poetisch oder romantisch vor, d. h. glaube nicht, daß es eben eine Heirath in unsrem u. im rechten, guten Sinn ist.
Ich möchte hier aber nicht ins Klatschen gerathen, versuche also nicht zu berichten, was sie mir vertraulichst mittheilte. Was sie nicht sagte, aber wohl den Kern trifft: sie will eben heirathen u. das macht sich bei ihrem Leben in jeder Beziehung schwer. Dieser Baron Wolff hält seit 3 Jahren um sie an – mir gefällt an ihm u. an der ganzen Sache durchaus gar nichts. Dagegen mißfällt |4| mir Vieles u. mißtraue ich gar Vielem!
Mir ist eine ganz ungemein große Freude geworden durch eine „Brahms-Fantasie“ des Malers Max Klinger u. ich möchte Du hättest Deinen gehörigen Theil daran. Das sind nämlich 41 Zeichnungen u. Radirungen, denen Lieder von mir u. schließlich das Schicksalslied zu Grunde liegen. Aber es sind nicht Illustrationen im gewöhnlichen Sinne, sondern ganz herrliche, wundervolle Fantasien über meine Texte. Ohne Weiteres (ohne einige Erklärung) würdest Du aber gewiß öfter den Sinn u. den Zusammenhang mit dem Text vermißen. Wie gern sähe ich sie mit Dir durch u. zeigte Dir wie tief er |1| auffaßt, wie weit u. hoch ihn dann sein Geist u. seine Fantasie trägt. Ohne das würdest Du gewiß nur Einzelnes bewundern.
Sage mir ja, wenn Dir das Buch (das nächstens erscheint) zu Gebote steht. Vielleicht kauft es dort ein Kunst-Freund (gehörte Hr. Sommerhoff dazu?)
Ich würde dann versuchen Dir Einiges darüber zu schreiben. Es Dir zu schicken, entschließe ich mich wohl nicht, weil ich zu sehr fürchte, daß Du nicht die rechte u. ganze Freude daran hast. Mitbringen aber thäte ich es gewiß, weil ich dann Dein Erklärer sein <könnte> u. mich Deines Entzückens freuen könnte.
Endlich – für Heute mit besten Grüßen an das ganze Kleeblatt
Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2162f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus.Nachl. Schumann, K. 7,285
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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