Liebe Clara.
Meine herzlichen Wünsche begrüßen u. begleiten Dich wieder in Interlaken, wo es Dir hoffentlich wieder sehr behaglich ist. Schade, daß Deine Liebhaberei für I. nicht die 3 Jahre getroffen hat, die ich in Thun war. Wie oft kam ich damals hinüber, wie oft würde ich erst jetzt kommen!
Von Dr. Fiedler weiß ich gar nichts! Ueberhaupt – ich weiß nur daß ich ihn u. s. Frau oft nennen höre, habe aber keine Idee, ob u. wo <ihn> ich ihn selbst gesehen habe! Reinthaler lobt sehr s. jüngste Tochter, die bei ihm ist.
Rottenberg ist immer nur noch in Aussicht. Dagegen hat Professor Ladenburg |3| aus Breslau hier mit s. Frau die Pfingstferien zugebracht, <> wir waren sehr gemüthlich zusammen u. haben viel von Dir gesprochen.
Aber Rubinstein’s Christus braucht Dich doch so wenig zu beschäftigen – wie die ganze übrige Welt! Der ist das letzte Mal in Br. erklungen u. kann sich zu seinem Vorgänger Moses ins Grab der Vergessenheit legen. Daß die Aufführung überhaupt möglich war, ist – Börsensache u. in 2ter Reihe Sache der Zeitungen.
Bulthaupt ist ganz der Mann die Kaufleute an der Börse zum Zahlen u. d. Ztgen zum Schreiben zu bringen.
Moses hat es nur zu einer scenischen Probe gebracht, (in Prag, R. zu Ehren.)
|2| Eher wird man sich seiner frühern Oratorien erinnern als dieser 2 letzten u. größten d. h. längsten. Das geht auch bei andern so. Bruch hat jetzt einen Moses herausgegeben u. Herzogenberg nach Messe u. Requiem eine Art „Christi Geburt.“
Wenn man nur eine <S> Spur Freude an den Sachen haben könnte! Sie sind in jeder Beziehung schwächer u. schlechter als ihre eigenen frühern Sachen. Die einzige, frohe Empfindung ist, wenn man wie ich, meint, Gott danken zu dürfen, daß er Einen vor der Sünde, dem Laster oder der schlechten Angewohnheit des bloßen Notenschreibens bewahrt hat.
|4| Deinen Kreis junger Musiker aber möchte ich wieder loben.
In Frkfurt erscheinen kleine Hefte, „Der Musikführer“, im Ganzen natürlich liederlich u. oft schlecht; aber die Aufsätze von Ivan Knorr, (auch über Sachen von mir) müßen Dir Vergnügen machen; sie sind so ernsthaft eingehend wie es die kleinen Hefte erlauben u. – wie es heute leider höchst selten ist u. dabei liebenswürdig, lebendig u. warm geschrieben. Doch Du wirst sie kennen – u. die schlechtern dazu – wenn Du <sie>┌jene┐ nicht in dem Wust übersehen hast.
Dich u. Marie grüße ich schönstens u. in Bern bitte ich Widmanns herzlich zu grüßen
von Deinem
Johannes
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