23.01.2024

Briefe



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ID: 23417
Geschrieben am: Mittwoch 12.06.1895
 

Frankfurt a./M., den 12. Juni 1895.
Lieber Johannes,
gestern kamen mir Deine Sonaten zu, und mit Freude sah ich sie endlich in dem schönen Stich, aber denke Dir, heute muß ich sie schon wieder fortgeben. Eugenie bat mich nämlich dringend, sie ihr sofort zu senden, da die Davies sie spielen werde, und sie (Eugenie) sie vorher noch genau kennen lernen möchte, weil sie dann viel mehr Genuß noch davon haben werde. Ich mag ihr dies doch nicht abschlagen, und habe nun aber die Bitte an Dich, daß Du Simrock veranlassest, mir noch ein Exemplar zu senden, das ich mit nach Interlaken nehmen kann. Ist das wohl sehr unbescheiden? Du warst aber ja oft so freundlich, uns 2 Exemplare senden zu lassen – daraufhin wage ich es. Simrock muß sie mir aber gleich schicken, weil wir Mitte nächster Woche (den 19. – 20.) abreisen.
Neulich waren wir in Düsseldorf, und Kufferath war währenddes zum Musikfest in Köln, und ich wußte es nicht. Das ist doch Pech! –
Speyers sind jetzt hier und werden morgen abend bei uns sein . . . .
Diesen Morgen sah ich noch das junge Ehepaar Rottenberg und habe ihnen Grüße an Dich mitgegeben. 6 Wochen wollen sie in Ischl bleiben, ihn hast Du ja so gern, vielleicht auch sie bei näherer Bekanntschaft, und dann kann es ja sehr gemütlich für Dich werden. Es ist eine schreckliche Sitte hier, daß die jungen Eheleute gleich nach der Trauung öffentlichen Empfang bei den Eltern haben, wo jeder, auch der Fernstehendste, sich die Braut ansieht. Ich kann mir denken, wie er, der so einfache Mensch, dabei leiden mußte.
Daß Du Dich Friedchens wieder so freundlich erinnertest, überraschte mich, aber ich habe doch nicht recht den Mut, es ihr anzubieten, es müßte sich denn einmal ganz zufällig machen.
Wie dauert mich der arme Rheinthaler, das ist ja schrecklich! Hat er kein Kind bei sich? Eine Tochter? Was Du Dir wohl über Rubinsteins Christus denkst? Die Berichte lauten ja enthusiastisch, aber an die Musik kann ich nicht recht glauben!
Schließlich, was zuerst hätte kommen sollen, Dank für Deinen lieben letzten Brief. Ich möchte, wir wären erst wohlbehalten in Interlaken – es geschieht so viel Unglück um einen herum, daß man ganz kleinmütig wird.
Ilona grüße, bitte, von mir und sage ihr, was Du weißt, dann, daß ich mich ihrer schönen Aussichten für die nächste Saison in England freue.
Marie grüßt herzlich, und ich bitte, daß Du Dich zuweilen erinnern mögest
Deiner alten
Clara.
Adresse in Interlaken vom 22. an: Dr. Aemmer, Lindengarten.

[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
in
Ischl
Ober-Oestreich.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Ischl
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
2250-2253

  Standort/Quelle:*) Umschlag: A-Wst: 55746,30a
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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