Sonnabend 16ten.
Theuerste Frau Schumann!
Endlich vermag ich heute Ihre dankvollst erhaltene, gütige liebe Zuschrift zu beantworten!
Entweder habe ich Verwandten-Hausbesuch, oder ich bin bei Verwandten abwesend; so, daß ich wahrhaft darüber trauerte, Sie noch nicht aufsuchen, Ihnen noch nicht einmal haben schreiben zu können! – Mit letzterem kamen Sie mir nun so überaus liebenswürdig zuvor, was mich rührt, beschämt, aber vor Allem, wiegesagt, mit Dank erfüllt: es war doch an mir, meinerseits nach Ihnen mich zu erkundigen u. bei Ihnen mich anzufragen! Und nun waren Sie, auch hierin, die Erste! – Jedoch die Nachricht Ihres Nichtwohlseins u. von Maries Leiden geht mir sehr nahe; herzinnig Mutter u. Tochter baldige Genesung wünschend, hoffe ich, nach Ihrer beiderseitigen Herstellung bei Ihnen mich anmelden zu dürfen. – Gestern im Museums-conzert fehlten Sie mir, auf Ihren zwei Plätzen; den einen derselben nahm Ihr junger Enkel ein. –
Dieser Sommer war ja, – wenigstens in unserer Rhöngegend, – klimatisch ein besonders schöner; indessen hatten wir, in unserer Familie, verschiedene Verluste zu beklagen; meine Bruderstochter, Erbgroßherzogin v. Oldenburg, starb bei uns zu Schloß Adolfs-Eck, wohin sie zu längerem Verweilen gekommen war, ganz unerwartet u. jäh, an rapider Unterleibsentzündung – eine schreckliche Catastrophe unter unserem Dach – man hat alle Mühe, sich davon zu erholen! – Möge nun das Jahr gut für Sie, geliebte Frau Schumann, sowie für die uns sonst Nahestehenden fern u. nahe, zu Ende gehen, diesen Gruß rufe ich Ihnen zum Voraus zu, bis zu persönlichem Wiedersehen!
Unwandelbar treu ergeben die Ihrige
Anna.
Denken Sie, dß mir heute früh eine große Freude wurde: Professor Joachim, auf meine Bitte, bemühte sich hierher zu mir! u. ich durfte mit dem berühmten Künstler u. liebenswürdigen Herrn eine längere, gemüthliche Unterredung haben.
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