23.01.2024

Briefe



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ID: 10183
Geschrieben am: Mittwoch 25.09.1872
 

Baden-Baden d. 25 Septbr 1872.
Liebste Frau Lazarus
ich hoffe, Sie haben nichts Uebles von mir gedacht, daß ich Ihren lieben Brief aus Scheveningen noch nicht beantwortet! Ich bin aber wirklich ganz enorm beschäftigt gewesen, und umsomehr, als ich bestimmte Stunden des Tages meiner Julie und Frl. Leser widmen mußte. Dazu hatte ich täglich mehrere Stunden zu geben, und jetzt seit 14 Tagen hat die Concert-Correspondenz wieder begonnen, die wirklich ganz enorm ist, dazu kommt doch auch noch Tausenderlei Andres. Fürerst also Dank Ihnen und dem verehrten Manne für Brief und Telegramm am 13ten – wie lieb von Ihnen, daß Sie meiner an dem Tage gedachten. Jetzt sind Sie nun wohl wieder in Berlin! Wie ist Ihnen das Seebad bekommen? hier ist es so kalt seit 4 Tagen, daß wir heitzen. Könnte ich Sie sprechen – ich hätte Ihnen Vieles zu sagen, wozu jetzt Zeit gehörte, die ich nicht habe. In Kürze will ich Ihnen nur erzählen, daß unser Wiedersehen mit Julie ein sehr getrübtes war, denn sie ist sehr elend (Sie wissen, sie erwartet im Dec. ihr drittes Kind) hat viel Schmerzen, muß fast immer liegen, und hustet zum Erschrecken – jetzt seit 14 Tagen Tag und Nacht, so daß sie der Arzt in Turin nicht wieder zurück lassen will, sondern sie soll in ein südliches Clima und dort bis Frühjahr bleiben. Zu unserer großen Beruhigung hat Frau Schlumberger ihr angeboten mit ihr dahin zu gehen, und bei ihr zu bleiben. Diese lebt jetzt in Paris, wohin Julie morgen abreist, dort bleibt sie den siebenten Monat den achten Monat gehen sie wahrscheinlich nach Mentone, wo ihr Mann, der von Paris aus zu Hause muß, sie wieder trifft und bei ihr bleibt. Er trägt sie auf Händen, aber ach, die Gesundheit kann er ihr nicht geben mit aller Liebe. Nun denken Sie, wie hart, nun sieht sie den Kleinsten in 6–7 Monaten erst wieder! das ist schrecklich. Kommen lassen können sie ihn nicht, das würde viel zu kostspielig. Mein Kommen nach Berlin ist auf den Januar verschoben – ich konnte es jetzt nicht (vor Wien), weil ich den Monat Octbr noch ruhig studiren muß, und das in Düsseldorf thuen will, wo ich die nöthige Ruhe und Freude finde. Ich werde dann den Monat nur ein paar Engagements in der Nähe annehmen, spiele aber vorher, am 11 Octbr in Frankfurth. Leider müssen wir hier eher fort als wir beabsichtigten weil uns die Köchin fortgeht! wir können also nur bis 6 Octbr bleiben, gehen dann nach Frankfurt und am 12ten nach Düsseldorf bis 6 Nov. Zürnen Sie liebe Freundin nicht über diese flüchtigen Zeilen! Sie wissen aber, meine Gesinnung ist immer dieselbe treue, mit der ich Ihnen und dem lieben Manne innigst die Hand drücke als
Ihre
alt ergeb
Clara Schumann.

Lassen Sie mich ’mal wieder von sich hören? An Ihre Schwägerinnen schönste Grüße auch Agathchen.
Die Kinder grüßen Alle herzlichst.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Lazarus, Sarah (918)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 18
Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-055-1
235-238

  Standort/Quelle:*) D-Buh, s: Nachlass Lazarus, II, 317
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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