Baden d. 8 July 1873.
Lieber Joachim,
so Vieles gäbe es zu sprechen – ich muß mir Alles versparen, bis wir uns in Bonn sehen. Vor allem aber Dank für Ihre lieben Briefe. Auf Ihren heutigen will ich gleich antworten. Was M. betrifft, so ist er mir allerdings höchst unsympathisch, dies soll mich aber doch nicht ungerecht machen. Sie sind künstlerisch mit ihm zufrieden, ich spiele also mit ihm! Von den Liedern wären mir „Ich kann wohl manch ’mal sind“ [sic] und „Sonntags am Rhein“ am liebsten. Frauenliebe und Leben möchte ich gerade bei dieser Gelegenheit nicht – ich würde dabei etwas empfinden, was ich aber nicht recht aussprechen kann, ich glaube aber, Sie verstehen mich. Die Sache mit Brahms ist recht traurig! ich hatte von demselben Tage einen Brief von ihm, eine mir sehr nahe gehende Sache betreffend – ganz derselbe gleichgültige Ton. Ich habe mich bis jetzt noch nicht wieder entschlossen darauf zu antworten. Ich finde nun den Brief an Sie sonst doch nicht so sehr schlimm, nur kalt. Mir scheint, daß er im Grunde doch gern dirigirt hätte, und vielleicht verletzt war, daß man ihn nicht ganz entschieden vom Comitée aus dazu aufgefordert hat, was mir auch gerechtfertigt scheint. Die Herren vom Comitée waren ihm von Anfang an nicht wohl gesinnt. Es thut mir sehr leid, daß es nun so gekommen ist, daß er in keiner Weise an dem Feste betheiligt ist. Ob er wohl dazu kömmt? bleibt er weg, so wird es ihm verdacht, kommt er, so fürchte ich er thut es in übler Laune, das wird ihm dann auch wieder verdacht. Er ist in einer peinlichen Lage jetzt, und hätte doch Alles so anders sein können. Doch, es ist jetzt nichts mehr zu machen. Hoffentlich ist Ihre liebe Frau in dieser argen Hitze schnell hergestellt von ihrer Erkältung! ist sie noch da, so grüßen Sie sie herzlich. Wie freut es mich, Sie bald zu sehen, und ’mal wieder mit dem Stab in der Hand! Wenn ich nur wohl bin, jetzt bin ich furchtbar angegriffen, schlafe gar nicht und denke Alles in Musik, nicht eigner, sondern anderer, was mich in den schlaflosen Nächten ganz elend macht. Ich habe angefangen die Lieder zu setzen und das regt mich so auf, daß ich alles in den Lieder-Melodieen denke. Wie recht haben Sie, was Sie so schön über Frauenliebe und Leben sagen.
In alter Treue Ihre Cl. Sch.
|