Frankfurt a/M d. 20th Januar 1879. 32 Myliusstr.
Liebe Lady Thompson
nur ein kurzes Dankeswort kann ich Ihnen senden, wollte es so gern eigenhändig thuen! Wie lieb von Ihnen daß Sie meiner auch dies Jahr so gütig gedachten! ach, brächte Ihnen das neue Jahr doch Ihre Gesundheit zurück – wie heiß erflehe ich dies vom Himmel für Sie. |2| Sie haben vielleicht durch Nathalie Janotha von uns Näheres gehört! wir haben so grossen Jammer um meinen Felix, der sehr krank ist, und den wir jetzt zu Hause pflegen, leider ohne alle Hoffnung. Dies ist auch der Grund, daß ich mich nicht entschliessen konnte, für längere Zeit ihn zu verlassen, und somit London abermals aufgeben musste, was mir sehr schwer geworden. Wie sehne ich mich nach meinen Londoner Freunden, die |3| so treu zu mir halten. -
Sehr freut mich Ihr Interesse für Nathalie – sie ist wirklich sehr begabt, und wird gewiss ihren Weg in England machen.
Marie und Eugenie senden Ihnen ihre angelegentlichsten Grüsse – Beide sind leidlich wohl, nicht immer so, wie ich es wünschte. Sie sehen, es lastet gar manche Sorge auf mir, die Kunst ist mir aber in allen schweren Zeiten treue Helferin gewesen, und auch jetzt finde ich Krafft und Trost in ihr. |4|
Leben Sie, liebe verehrte Lady Thompson, wohl, empfehlen Sie uns den theueren Ihrigen und möge Ihnen der Himmel alles nur mögliche Gute spenden!
Mit der Bitte, daß Sie mich ein wenig lieb behalten mögen, bin ich in warmer Ergebenheit
Ihre getreue
Clara Schumann.
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