Frankf. d. 29/1 / 83
Lieber Herr Scholz,
ich überlege, wie ich Ihnen in Kürze die Vorkommnisse hier mittheile, begreife nicht, daß die Herren des Curatoriums1 es nicht gleich gethan. Ich glaube, <sie> die Sache ist ihnen so über den Kopf gewachsen, daß sie nicht wissen wo aus, wo ein.
Also:
Fleisch u Kungel u. Schnorr war f. Ostern 1884 gekündigt. Letztere nahm <>ohne Weiteres an. Fleisch erklärte, er wolle schon Ostern 83 austreten, Kunkel eben so, was natürlich bewilligt wurde. Da kommt eine Zeitungsnachricht, <Q>Kwast sei hier engagirt, darauf hin kündigen Schwarz u. Roth für Ostern 83. Indessen hatten die vier Herren eine Zusammenkunften [sic], und gründen nun hier ein Raff-Conservatorium. Sie luden alle Schüler zu einer Versammlung im Kaufmannsverein-Saal, und erklärten ihnen ihren Austritt, und sagten ihnen, sie möchten mit ihnen herüber ziehen, denn mit der neuen Direction werde eine andere Richtung verfolgt werden, und – kurz, stellten ihnen die Vortheile vor, welche sie bei ihnen haben würden ect. ect. Darauf wurde eine Lehrer-Versammlung gehalten, wobei auch wir, auf dringendes Bitten Mumms, waren. Die Herren wurden zur Rede gesetzt, und erklärten nun, z. B. Herr Schwarz, er habe es für seine Pflicht gehalten, den Schülern das zu sagen, daß ihnen (so ungefähr der Sinn) kein Heil mehr auf unserer Schule erblühe ect. Seinen u. Roths Abgang erklärte er damit, daß sie nicht unter Kwast stehen könnten, daß sie auch nicht unter einem Directorium stehen wollten, welches so wenig Pietät gegen Raff zeigte, alle seine Einrichtungen umstieße, einen Stockh. wieder anstelle u. s. w. Nun, kurz und gut, das war ein Treubruch und darauf haben die Herren den <>vier Lehrern ihren augenblicklichen Abgang v. d. Schule mitgetheilt. Man konnte Aufwiegler doch nicht behalten! – Daß sie es ordentlich darauf angelegt die Schüler von der Schule abzuwenden sah man auch bei der Versammlung die dann Mumm u. Veith berufen hatte [sic], wo die Schüler und <> Schülerinnen unverschämt dazwischen schrieen, u. erst verstummten, als <ih> Mumm sie um ihre Namen frug. Nun werden wohl an die 50 Schüler mit abgehen, aber für die Andern müssen doch Lehrer bis Ostern da sein, also kommt die Janotha (bis Ostern), wir übernehmen noch Einige bis dahin, Wallenstein auch (<> ect. Jedenfalls müssen wir nun Lehrer zu Ostern schon haben. Mit Barth u Kwast haben Sie wegen der Reiselust schon recht. Etwas schadet wohl nicht, aber viel Abwesenheiten sind schlimm, besonders für wenig vorgerückte Schüler. Doch sind Diese auch nicht für Anfänger sondern schon für vorgeschrittene Schüler. Denken Sie, neulich wurde auch verlesen, daß über 200 Stunden in dem letzten Semester nicht gegeben worden waren. Da sieht man die Zustände. Für Frank wäre ich nicht, er ist sehr pedantisch glaube ich, trocken, u. wohl etwas alt. Ich bin doch sehr für jüngere Kräffte. Knorr ist wohl am Ende sehr zu rathen? Von Riemann hörte ich auf meine Anfrage an Crysander, er könne mir leider kaum Gutes von Riemann sagen, wolle aber erst noch Erkundigungen einziehen und mir dann wieder schreiben. (Nicht wahr, ganz unter uns, ich hatte ihm strengste Discretion zugesichert.) Mit Uhl, das ist nun so eine Sache, er kann sehr musikalisch, sehr liebenswürdig sein, und doch kein technisch guter Lehrer, den wir vor allem brauchen. Jetzt erst, wo wir eine Anzahl Schüler von Schwarz u Roth geprüft haben sehen wir welch mangelhaften Unterricht die beiden Herren gegeben, besonders Schwarz – das ist geradezu haarsträubend! Schülerinnen, die wir vor 3 Jahren, als sie kamen, gehört, und jetzt nun wieder gehört haben, haben Nichts gelernt, keine Etüden irgend welcher Art gemacht, die schwersten Sachen gespielt, keine acht Tacte nur correct, von Vortrag nicht zu reden. Wie steht es mit Bussmeyer? wir müssen doch wenigstens zwei <>gute Lehrer haben, dann noch Uzielli und Knorr. Noch Eines wollte ich Ihnen sagen, da hörte ich gestern von Jemand sehr <> zuverlässigen, daß Stockh. einen Herrn Nössl an die Schule zu bringen suche, Dieser sey aber ganz unfähig, wie bei früherer Gelegenheit Stockh. selbst geäußert, dazu sey er ein ganz ordinärer Mensch ect. kurz, ich wollte Sie nur warnen, wenn Stockh. ihn wirklich vorschlagen sollte. An diesen Miseren jetzt haben wir Alle zu tragen, es ist auch kein Vergnügen Interims-Schüler zu unterrichten, die noch dazu widerwillig zu Einem kommen, wenigsten ein Theil – unglücklich sind sie Alle, <> arbeiten nicht, laufen nur herum und erzählen sich Gott weiß, was. Ich möchte es wäre erst Ostern und das Oberhaupt da. Verzeihen Sie die Flucht dieser Zeilen – ich bin ganz entsetzlich beschäfftigt!
Herzliche Grüße
von
Ihrer
Cl. Schumann.
Ehlert, wollte ich Ihnen noch sagen, soll von Technik gar nichts verstehen, beim Unterrichten aber geistreiche Bemerkungen machen. Ich weiß das von Schülern von ihm. Bitte verbrennen Sie dieses <> sofort.
D. 30
Mir fiel ein, daß, kämen Sie etwa hierher (jetzt) Sie ja Uhl ’mal kennen lernen könnten. Wir sollten aber Barth oder Kwast haben, wenn sie reisen, ab und zu, das gewinnt ja auch wieder Schüler, besonders Barth, der ein enormer Techniker ist, und überall imponirt was man nicht so von Kwast sagen kann. Eben schreibt mir Veith, daß 22 Schüler sich bis jetzt abgemeldet haben (die Armen!) Ich bin ganz elend moralisch von dem Geschick der Schüler von Sch. u. R. es ist unerhört!!! Da kommt ein Schüler der 3 Jahr hier war, bei Raff Composition studiert hat, und von Bach nur ’mal bei Fälten früher <> zwei Fugen gespielt hat, sonst nichts kennt, auch Beethov. nicht! Ich habe ihn, weil er mir talentvoll scheint, und weil er nur auf der Schule <>bleiben wollte, wenn ich ihn nähme, für meine Klasse angenommen. Es ist aber eine schwere Aufgabe Schüler von solchen Lehrern anzunehmen, wo <von der> von Schule <>keine Rede ist. Solche Stunden greifen mich mehr an, als ich vertragen kann. Wir haben schlimme Tage, die Eltern von Schülern wenden sich an uns, bitten wir sollen sie nehmen, aber nicht nur bis Ostern, sondern behalten, was wir ja nicht können, höchstens 3–4 meine Kinder! – Ich reise vom 6–16 Febr nach Berlin, Adresse: bei Herrn Martin Levy 17 Rauchstrasse – hätten Sie mir etwa etwas mitzutheilen. Ach, hätten wir nur schon ein paar gute Lehrer! – Bitte, stecken Sie dies in’s Feuer, sobald Sie gelesen. Verzeihen Sie nur mein Geschreibsel, aber ich darf ja eigentlich gar nicht selbst schreiben, weil der Arm mich gewaltig dabei schmerzt, also, Nachsicht, bitte!
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