Frankfurt a/m d. 25 April 83
Geehrter Herr
schreiben Sie es nur den vielfachen Beschäfftigungen zu, die mich stets in Anspruch nehmen, wenn ich nicht früher Ihre Zeilen v. 11 März beantwortete. Ich fürchte, ich kann es überhaupt nicht in einer Sie befriedigenden Weise thuen, denn ich war in der |2| schweren Zeit des Leidens meines Mannes ganz von Kummer hingenommen und fehlte mir die Ruhe zu forschen, wie es denn auch immer meine Aufgabe war, ihn von seinen Leiden abzulenken, nicht ihn durch Fragen zu beunruhigen. Ich will Ihnen sagen, was ich weiß. Nur eine kurze Zeit hörte er immer einen Ton, dann aber bildeten sich Motive, die sich zu ganzen |3| Stücken fortspannen, und am Schlusse Derselben wieder von vorn begannen. Dies verfolgte ihn auch während der Unterhaltung und war er nur im Stande auf ein andres Stück überzugehen, wo es dann eben so verlief. Das waren aber nicht eigene musical Gedanken, sondern ihm bekannte andere Werke, Symphonien, Quartette u. Sonstiges. Componirt hat er in der Zeit nur ein kurzes aber inniges Thema mit Variationen. Auf welchem Ohre |4| er die Erscheinungen hatte weiß ich nicht – ich glaube nicht, daß er dies je selbst geprüft, sonst hätte er wohl ’mal etwas darüber geäußert. Sein Gehör war stets normal (physisch) und das Leiden jedenfalls, <auf> was auch die Aerzte constatirten, nur eine Folge der Zerrüttung seines Gehirns durch Ueberanstrengung.
Hierauf beschränken sich meine Berichte und bedauere ich daß sie für Sie wohl ungenügend sein mögen.
Hochachtungsvoll
Ihre
ergeb
Clara Schumann.
[Umschlag]
Herrn Professor
Dr Carl Stumpf.
Prag.
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