London d. 24 März 1867
17, Half Moon Street Piccadilly.
Liebe, verehrte Freundin,
längst schon hatte ich mir vorgenommen Ihnen einen Gruß von hier zu senden, aber von dem Getriebe hat kein Mensch einen Begriff, der es nicht selbst mitgemacht. So bleibt mir denn auch heute nur zu Wenigem Zeit, aber, Ihre Theilnahme für mich kennend, dachte ich, es würde Sie wohl freuen zu hören, daß ich hier eine außerordentlich warme Aufnahme gefunden habe, und die musikalische Empfänglichkeit sehr gewachsen finde. Das Leben ist aber ein höchst anstrengendes, und die pecuniären Vortheile stehen in keinem Verhältniß zu den Anstrengungen; nur, wenn man lange hier bleibt (z. B. zehn Jahre lang Stunden giebt von Früh bis Abend) kann man zu etwas kommen, was man aber dabei verliert, das geben Einem alle Schätze der Welt nicht zurück. Nein! „bleibe im Lande und nähre Dich redlich und behalte ein frisches Herz und einen klaren Geist!“ Das aufreibende dieses Lebens empfindend habe ich mich auch fest entschlossen, die Frühjahrs-Saison nicht mitzumachen, und nach dem Palmsonntag abzureisen, was die Leute hier gar nicht begreifen; Alles jagt hier nach so Viel wie möglich, Jeder denkt nur an sich, und hat nicht Zeit zur Theilnahme für Andere. Um Alles in der Welt könnte ich hier nicht leben, doch, das sage ich Ihnen im Vertrauen – ich spreche nicht gern laut darüber, denn, wie gesagt, man hat mich so gut aufgenommen, daß es mir fast leid thut, so wenig Sympathie für England haben zu können. Wie gern erführe ich, wie es Ihnen und all Ihren Lieben geht? der Winter war schlimm für rheumatische Leiden, und oft habe ich an Sie gedacht. Was würden Sie wohl sagen, müßten Sie ’mal solch Kälte und Zug ertragen, wie wir hier die ganze Zeit! – Mit meiner Gesundheit steht es gar nicht gut, und ich fürchte, ich werde am Ende doch nach Carlsbad müssen, was sich zu Ostern wenn ich in Düsseldorf bei meiner Freundin bin, entscheiden wird! Haben Sie schon Sommerpläne gemacht? gehen Sie ’mal wieder in die Schweiz? Rigi? Eine Schülerin klopft, ich muß schließen. Seyen Sie 1000 mal gegrüßt mit Ihrem theuren Manne, sagen Sie auch sonst alles Schöne Ihren lieben Angehörigen, und denken Sie manchmal meiner
Ihre
Ihnen von ganzem Herzen
ergeb
Clara Schumann.
Marie trägt mir ihre angelegentlichsten Empfehlungen auf.
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