Obersalzberg bei Berchtesgaden
Pension Moritz
d. 29 Juli 1883.
Dank, lieber Joachim, für Ihren lieben ausführlichen Brief, der mich theils erfreuete, theils betrübte. Es war ja reizend von Landaus daß sie Ihnen ein so gemüthliches Zusammenseyn mit den Kindern schafften, aber nun sind sie Alle bei der Mutter, und was thuen Sie? Sie können ja doch nicht nach Salzburg? – Mit dem Concert-Programm bin ich sehr einverstanden – D Moll Symphonie ist ja höchst erfreulich für mich. Gern hörte ich, wenn Sie ein Chorstück machen, das Parzenlied v. Brahms, das ich mir herrlich denke. Ueber unser Soiree-Programm6 habe ich hoffentlich noch Gelegenheit mündlich mit Ihnen zu überlegen. Es ist sehr schwer bei der Beschränktheit meiner Kräffte. – Wir bleiben hier wohl noch, voraussichtlich das gräßliche Wetter ändert sich wieder zum Guten, bis 15–20 August, dann weiß ich noch nichts weiter. Vielleicht gehen wir noch ein paar Tage nach Berchtesgaden<,> nach Hofreit, wo alte Freundinnen von uns sind, und, vielleicht, <gehen wir> dann noch auf 14 Tage nach Verona u. Venedig. Einstweilen denken wir ernstlich daran. Von Brahms habe ich nun schon seit über 4 Wochen nichts gehört, aber von anderer Seite, daß er nach Wiesbaden ziehen wolle! Wie traurig war doch das Zusammentreffen für Sie in Coblenz! schrecklich! Sehr danke ich Ihnen auch noch für Ihre offenen Mittheilungen; ich hatte gerade auch von Barmen Antrag u. habe ganz so geantwortet wie Sie es gethan haben werden. Auch wegen Basel war es mir sehr lieb zu wissen, ect. ect. Für heute Lebewohl lieber Joachim – grüßen Sie mir die lieben Ihrigen in London und, sollten Sie uns hier oder in B. besuchen wollen, so lassen Sie es mich vorher wissen, bitte.
Von Herzen Ihre alte Cl. Sch.
Die Kinder grüßen
Adresse nach dem 20 Aug: Berchtesgaden Poste restante.
P. S. Eben hatte ich den Brief zugemacht, da fiel mir ein, daß ich Ihre Frage wegen Levy’s nicht beantwortet. Das ist etwas schwer für mich, denn ich bin Levy’s von Herzen dankbar für ihre vorjährige Aufnahme. Aber, nachdem ich gesehen, daß es für Diese ein großer Rumor ist, wenn ich bei ihnen wohne, daß entschieden eine oder die andre Parthie (sie selbst oder die Kinder) sich auslogieren müssen, so begreifen Sie gewiß meine Bedenken solches wieder anzunehmen. Wohne ich oben, wo die Kinder sonst sind, so ängstigt sich der gute Levy fortwährend um mich wegen der Treppe, und, wie gesagt, es giebt eine große Unruhe. Ich habe daher gedacht vielleicht im<’s> Hôtel du Park am Leipziger Thor zu miethen, ich bin da näher zur <> Stadt, so ziemlich im Mittelpunct. Kennen Sie das Hôtel? Vielleicht wäre es das beste, Sie sagten Levy, ich hätte <m> gedacht, es sey wohl zweckmäßiger, wenn ich etwas näher zur Stadt wohnte. Ich möchte die lieben Menschen um Alles in der Welt nicht kränken, aber ich glaube doch, ich komme ihren geheimsten Wünschen hiermit <doch> entgegen. Machen Sie es, lieber Joachim auf die zarteste Weise – Sie verstehen das ja so gut! –
Verzeihen Sie die vielen ausgestrichenen Worte.