Münster a/St. d. 3 Juni 84.
Liebste Marie,
Eugeniens Brief haben Sie erhalten, heute will ich nun von der so sehr erfreulichen Erlaubniß, Ihnen wieder directen Gruß senden zu dürfen, Gebrauch machen. Wie viel haben wir all die Zeit an Sie, liebe, arme Dulderin, gedacht, und gar traurig war es uns, Sie so lange nicht sehen zu dürfen. Elise sagt mir heute zu meiner herzlichen Freude, daß sie Sie besuchen dürfe, was sie nun wohl nächste Woche, wo wir sie bei uns wieder aufnehmen können, thuen wird. Ich hoffe, Sie erlauben auch uns Sie vor unserer Abreise (Anfang Juli) einmal zu besuchen? – Ach, wären Sie nur erst ganz wieder hergestellt! Gott sey Dank, daß die Besserung begonnen, und man Sie wenigstens nicht mehr so hart an’s Bett gefesselt weiß. Wie lieb haben Sie unserer gedacht, mit den Gurken, das hat uns gerührt! wir haben davon Elise mit hierher gebracht. Wir sind hier zu den Festtagen gewesen, gehen morgen zurück nach Frankf. Leider ist Marie seit 5 Wochen mit Ischias geplagt, und ich dachte, eine Luftveränderung würde ihr gut thuen – es scheint auch wirklich heute so.
In diesen Tagen waren meine Gedanken viel in Düsseldorf beim Feste. Brahms dirigirte seine 3te Symphonie mit großem Erfolge, u. heute führt er noch sein Parzenlied auf – wie gern ich dabei gewesen wäre, werden Sie glauben, aber, Frau Joachim und Simrock’s – [mit Brahms]– Alle zusammen in einem Hôtel, da konnte ich mich nicht dazwischen begeben. Uebrigens kommt noch dazu, daß die armen Bendemanns, wo ich immer wohne, eben von Italien zurück kamen, wo sie ihren dritten Sohn begraben haben. Ich hätte Angesichts dieses Kummers, das Fest doch nicht genießen können.
Sie können nicht schreiben, liebe, theuere Marie, aber Ihr lieber Mann den ich herzlich grüßen lasse, läßt uns wohl bald wieder hören, wie es Ihnen geht, und, wenn wir Sie sehen dürfen? –
Mit den herzinnigsten Wünschen für Sie,
Ihre alte
treue
Clara Schumann.
[Umschlag]
Frau Gräfin
Marie v. Oriola.
in
Büdesheim
bei
Groß Karben
in
Hessen.
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