Frankfurt a/M d. 12 Mai 1890.
Liebster Joachim
wie war das gut von Ihnen, mich einmal wieder, wie in alter Zeit, zu besuchen! wie werde ich an diesen, ach, nur zu kurzen, Tagen zehren! trotzdem ich körperlich recht arge Schmerzen litt, vergaß ich in Ihrem Spiele Alles! Jetzt freilich schreibe ich liegend, und werde wohl noch einige Tage so aushalten müssen. Da schimmert denn aber durch viele traurige Gedanken Ihre Anwesenheit immer freundlich wie Sonnenstrahl durch die Wolken. Wie war es doch herrlich, daß wir Sie einmal wieder hörten, wie entzückt waren Alle, die zuhören durften! waren wir aber nicht recht unbescheiden? <diesen> ich habe Ihnen doch kein Unbehagen an dem Montag Nachmittag bereitet? – Nun sind Sie wieder einmal in voller Dirigenten-Thätigkeit – wie lange sah ich Sie nicht dirigiren! Das Schreiben, liegend, greift mich an, darum muß ich mich begnügen, thue es aber mit dem wärmsten Händedruck – auch die Töchter senden dankbarste Grüße. Sagen Sie doch dem lieben „Robi“ (schrifftlich geht dies leichter) wie herzliche Freude ich an dem Zusammenseyn mit ihm gefunden – er hat etwas so liebenswerthes in seinem Wesen, und erinnert mich in Vielem, an seinen unvergeßlichen Vater, namentlich. Lassen Sie ’mal von sich hören, auch, was Sie für den Sommer bestimmt haben. Grüße an Levi’s, Hertzogenberg’s, Frl [sic] v. Beulwitz, Bargiel – ich glaube, ich habe sie beim Abschied Alle, Ihnen aufzutragen, vergessen. Getreuest Ihre
Clara Schumann.
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