23.01.2024

Briefe



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ID: 12610
Geschrieben am: Sonntag 08.07.1888
 

Franzensbad d. 8 July 88.

Liebster Joachim
ich bin ganz unglücklich daß ich dieses Jahr wieder Ihren Geburtstag vergaß, Dieser fällt aber gerade immer in unsere Reise-Vorbereitungen die bei einer dreimonatlichen Abwesenheit nicht gering sind, diesmal fielen nun auch noch, durch des Kaisers Tod verspätet, unsere Prüfungsconcerte (sechs) in die letzte Woche, u. außer allem Diesen noch eine große Alteration, die mich Tage<lang> und Nächte lang ganz und gar einnahm, kurz, verzeihen Sie mir, und glauben Sie mich deshalb nicht weniger anhänglich. Gedacht habe ich Ihrer gerade in dieser Zeit viel, und, daß Sie Frankfurt zwei mal durchreisten, ohne daß wir Sie sahen, war uns Allen traurig! – Nun, nehmen Sie nachträglich meine innigsten Wünsche freundlich an. Bringe Ihnen dies neue Jahr neue Freuden an Ihren Kindern! sie sind, wenn sie gut gerathen, unser größter Schatz! aber auch Gesundheit wünsche ich Ihnen zu Ihrem so angestrengten Leben. Gehen Sie, wie man sagt, nach Amerika? bei den großen Verpflichtungen, die Sie haben, fände ich ein solches Unternehmen doch sehr gerechtfertigt. Wie leid war es mir nicht in Stuttgart sein zu können, <>aber der Hindernisse waren zu Viele, und die Hitze in den Sälen vertrage ich gar nicht mehr. Haben Sie von dem Streich, den mir meine Schwester Marie Wieck und Mutter gespielt gehört? Marie hat unter dem Namen von Kohut „Friedrich Wieck’s Leben und Wirken“ (so ist glaube ich der Titel – ich hab es noch nicht gelesen, weil ich mich nicht ruhig genug dazu fühlte) herausgegeben, und darin eine Anzahl Briefe an meinen Vater von mir, und von Ernestine v. Fricken an mich, veröffentlicht ohne mein Wissen. Ist das nicht empörend? Das ist Schädigung meines Eigenthum-Rechtes, und die Briefe v. Ernest. Diebstahl. Ich hätte das Buch sofort confisciren lassen können, aber das zöge einen Prozeß nach sich, und dieser könnte möglicherweise peinliche Situationen mit den Meinigen herbeiführen. Es bleibt mir also zu meiner Rechtfertigung vor dem Publikum nur eine Erklärung in den Hauptzeitungen von Seiten des Advocaten, daß diese Briefe ohne meine Bewilligung gedruckt wurden. Was müssen die Leute, die das Buch lesen von mir denken? an Betrug glaubt doch kein Mensch! – Von Dr Althoff hatte ich wegen der Manuscripte Brief, habe ihm kurz und bündig, meine Wünsche mitgetheilt, wie es von Anfang an beredet war. Es ist mir eine ärgerliche Sache jetzt – ich wünschte die Sache käme endlich zum Abschluß. – Werden wir Sie denn nicht einmal wenigstens a. d. Obersalzberg sehen? Sie können doch nicht Ihre ganzen Ferien im Amsterdam zubringen!? Sie sollten sich den Berg doch ’mal näher beschauen, gewiß würde er Ihnen gefallen. Die armen Herzogenbergs kommen erst jetzt v. München fort – was dulden diese Menschen, das ist unglaublich! Die Fillunger war jetzt zum Besuch da, u. schreibt, daß sie jetzt die ersten Stehversuche machen, aber unter welchen Kämpfen. Leben Sie wohl, lieber Freund, und seyen Sie innigst gegrüßt von uns
Dreien.
Ihre alte Cl. Sch.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Franzensbad
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1338ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6635-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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