Obersalzberg1 d. 14 Aug 1890,
Meine theuere Lida
mit wie traurigem Herzen sende ich Ihnen in diesem Jahre meine Grüße zum 16ten – ach, wie schwer wird Ihnen dieser Tag werden, ohne ihn den tief geliebten Mann. Wohl empfindet man solchen Verlust ja stündlich, aber an solch einem Tage, wo man stets
so [doppelt] dankbar das Glück der Vereinigung empfunden hat, da blutet das Herz frisch und aller Jammer bricht aus demselben hervor. Könnte ich doch bei Ihnen sein, meine theuere Lida, das treue Mitgefühl Ihrer Leidensgefährtin müßte Ihnen wenigstens wohlthun. Ich wünschte, Sie wären noch bei Ihrer lieben Schwägerin bis über diesen Tag geblieben; als jetzt so allein in Ihrem Hause! – Meine Wünsche concentriren sich auf den einen für Ihre körperliche und seelische Gesundheit, Fortdauer der Kraft, mit der Sie das Leid – ach, so Vieles, bis jetzt getragen haben. Gott sei Dank, daß sie gestärkt von Loschwitz zurückkehrten! wie sehne ich mich Sie zu sehen, und, wills Gott, daß ich kräftig genug bin, so komme ich in der letzten Woche Sptbr.
Für Ihren lieben letzten Brief habe ich Ihnen noch nicht gedankt – Vieles hätte ich darauf zu schreiben, aber, ich verspare es mir lieber bis mündlich. Ich darf meine Augen nicht viel anstrengen, habe schon recht lange auf dem einen Auge einen Katharr [sic].
Marie bittet mich Ihnen das Innigste zu sagen, sie empfindet, trotz ihrer größeren Jugend, Ihr Leid doch tief. –
Wie haben mich Ihre Mittheilungen über die liebe Frau Hübner interressirt – das ist doch eine wunderbare Frau! –
Rosalie wird Ihnen noch einiges von uns hier mittheilen, und muß [ich] schließen, meine theuere Lida! mit all meinen Gedanken und meiner ganzen liebenden Seele werde ich am Sonnabend bei Ihnen sein – möchten Sie dies empfinden können!
Getreu
Ihre
Clara Sch.
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