23.01.2024

Briefe



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ID: 13773
Geschrieben am: Montag 02.11.1891
 

Frankfurt a/M. d. 2 Nov. 91.
Liebste Lida,
ich meine, ich hätte Ihnen sehr lange nicht geschrieben und denke doch täglich Ihrer und Rosaliens in größter Sehnsucht! – Leider geht es mir wohl körperlich im Ganzen etwas besser, aber das Leiden dauert fort, nur ist es zuweilen einen Tag etwas schwächer, dann aber wieder Tage lang geradezu wie Höllenmusik über meinem Haupte. Im Augenblick, während ich schreibe, bin ich fast betäubt von dem Lärm der Accorde und Phrasen, die sich prestissimo immer wiederholen, und mir durch die falschen Harmonien geradezu unerträglich sind. Jetzt habe ich einen Schnupfen dazu, der wohl auch heute so schlimm wirkt! –
Ich glaube, ich stehe sehr in Ihrer [Schuld], meine theuere Lida, auch bei Rosalien, aber ich kann ja so wenig schreiben, und habe immer so Vieles zu erledigen. Könnte ich nur nach Düsseldorf ’mal der liebsten treuesten der Freundinnnen mein armes gequältes Herz ausschütten. Jetzt habe ich zu all dem Leiden auch wieder sehr Aufregendes gehabt, theils durch Menschen, theils durch Verhältnisse. Ich habe in den letzten 8 Tagen mit einem Anhang meines Testaments, daß [sic] nach Ferdinands Tode einer Aenderung bedurfte, viel zu thun gehabt, und war uns so manches noch eingefallen, das von mir schriftlich ausgesprochen sein mußte, um etwaige Weitläuftigkeiten [sic] meinen Kindern bei meinem Tode zu ersparen – das Alles hat mich aber doch erregt, u. bin ich noch nicht fertig. Wie sehr hat mich alles in Ihrem letzten Briefe v. 3 Octbr interressirt, u. wie freut mich, daß Sie immer Nahrung für Ihr Herz finden in lieben Verwandten, denen Sie dann auch so viel sein können, was doch die schönste Befriedigung dem Menschen ist, der Geist und Herz offen hat für das, was ihn umgiebt.
Vieles hätte ich Ihnen von uns (Sommerhoffs inbegriffen) zu erzählen, aber es greift mich doch Alles sehr an.
Nur innigste Grüße noch, meine theuere Lida v. Ihrer alten
Clara.

An Rosalie alles Liebe.
Meine Töchter sind sehr fleißig, haben viel zu thun. Bei Sommerh. geht es leidlich, ach, es sind eben doch keine glücklichen Menschen, obgleich sie an äußeren Gütern so viel besitzen!
Wie gern spräche ich Manches über Juliens Erziehung mit Ihnen – es ist so schwer! –

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Bendemann, Lida (176)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 6
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Eduard Bendemann, Julius Hübner, Johann Peter Lyser und anderen Dresdner Künstlern / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Renate Brunner, Michael Heinemann, Irmgard Knechtges-Obrecht, Klaus Martin Kopitz und Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-017-9
434ff

  Standort/Quelle:*) D-LEu, s: Sammlung Bendemann, Komponisten (Rep. IX, 3 47 B 152); Abschr. in D-Zsch, 1. in s: 4969-A2c, blaue Mappe, 2. von Marie Sch. 6283-A2c [gek.]
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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