23.01.2024

Briefe



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ID: 14095
Geschrieben am: Freitag 13.07.1860
 

Heute, lieber Johannes, schicke ich Dir die Partituren und bitte Euch nun noch einmal zu erwägen. Von der Messe sind die ersten Sätze, soviel ich mich erinnere, schön, was meint Ihr wohl, ob sie einzeln zu veröffentlichen wären? Ich erhielt beides erst jetzt, wollte aber mit der Sendung an Dich nicht länger warten, sonst hätte ich selbst noch mal Alles durchgesehen, obgleich eben nur, um’s mir wieder ins Gedächtnis zu rufen; anderer Meinung als früher, werdet Ihr, fürchte ich, am Ende jetzt auch nicht, doch seht es noch einmal mit Muße durch, und gefällt’s Euch nicht, so sagt mir’s offen – Ihm, der so groß und schön dasteht, kann’s ja von seinem Werte nichts nehmen.“
Schubert habe ich wegen der Cellosonaten und der 2 Sätze aus der Violin-Sonate entschieden abgeschrieben. Letztere mit dem Bemerken, daß sie doch zu eng mit dem Ganzen zusammenhingen, um daß man sie jetzt einzeln als Stückwerk geben dürfe. Darüber wäre ich also ruhig, und nun wäre nur noch wegen Messe und Requiem zu entscheiden.
Kommt mir aber nicht etwa mit andern Schiedsrichtern, Ihr wißt, nur zu Euch habe ich das Vertrauen!
Deine Nachrichten von Härtel waren mir eine wahre Freude! Geht nun doch alles nach Wunsch! Wie herrlich. Was forderst Du für das Konzert? Hast Du nun Simrock die zweite Serenade (auch für 16 Fr.?) gegeben? Und was mit allen übrigen Sachen beschlossen? Gern wüßte ich nun gleich alles, vielleicht mehr, als Du selbst noch weißt. Um der Arbeit mit dem Konzert bedaure ich Dich ein wenig, nun kann ich Dir nicht einmal etwas helfen. Wie kommt es nur, daß noch immer so viel daran zu radieren gibt – ich dachte, ich hätte in Hamburg damals schon fast kein Papier mehr darauf gelassen. –
Willst Du wohl bei Gelegenheit so gut sein, dem Professor Jahn zu sagen, daß ich wegen der Partitur der Genoveva nach Berlin geschrieben, mich aber erst, nachdem der Bescheid von dort, man könne sie nicht finden, besonnen habe, daß Eckert in Wien sie augenblicklich hat und wohl noch eine Weile behalten will. . . . .
Zu meinem Brillant-Abenteuer kam heute ein neues kurioses und wieder glückliches – es scheint, gute Wünsche helfen zuweilen. Ich vermißte diesen Morgen meine Uhr mit allem daran; alles wurde durchstöbert, um und um gekehrt, da fällt mir ein, ich habe eine Nelke gepflückt, und ohne Hoffnung, sie wiederzufinden, sage ich das den Kindern, und gleich darauf bringen sie sie mir unter freudigem Erstaunen. Sie hing über dem Nelkenbeet, als ob ihr’s da so recht behaglich gewesen.
Wir erwarten Sonntag die Jungen hier – nur Marie weiß davon, die andern sollen überrascht werden.
Von hier gibt’s sonst nichts zu berichten. . . . .
Nach Mainz zu gehen habe ich keine Lust, da ich das Menschengewühl zu sehr fürchte, und an dem Kunstgenusse bleibt einem doch meist noch viel zu wünschen. Ein trauliches Musik-Stündchen unter uns ist mir weit lieber.
Jetzt genug! Schreibe mir doch recht bald wieder, lieber Johannes, grüße herzlich Joachim, und gedenke liebend
Deiner
Clara.
NB. Grüße doch Frau Preyer – seht Ihr sie oft? Auch Kyllmanns vergiß nicht.
Otto Ludwig folgt mit Dank zurück – erquickt hat’s mich nicht, aber interessiert.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Kreuznach
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Bonn
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
703-707

  Standort/Quelle:*) unbekannt, vgl. Druck
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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