23.01.2024

Briefe



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ID: 14108
Geschrieben am: Mittwoch 13.02.1861
 

Düsseldorf, den 13. Februar 1861.
Liebster Johannes,
. . . . . Dank für Deinen lieben Brief! Aber von Dir hast Du mir gar nichts geschrieben, von Deinem Leben, neuen Schülerinnen, Bekannten, z. B. Halliers, ob Du sie oft siehst, vor allem aber von Deinen Arbeiten? Ich denke mir Dich jetzt recht fleißig – könnte ich doch nur manchmal Dir über die Schulter aufs Notenpapier sehen!
Wie freuten mich Deine schönen Worte über Mozart! Ach ja, wärst Du dabei gewesen, hätte ich mit Dir jubeln können. Ich danke Dir für das G dur-Konzert, bitte, sage bei Gelegenheit Avé, daß ich seine Stimmen gern noch etwas behielte (etwas lange), denn jetzt komme ich ja leider nicht dazu, es wieder zu spielen. Das wird eine langweilige Konzertgeberei in Belgien – ich glaube, dort komme ich mit meiner Musik auf ziemlich unbebautes Feld, vielleicht gar auf – Heide. Wie schwer wird mir dieser Entschluß, aber es muß ja doch sein.
Du meinst, lieber Johannes, ich gebe zu viel Konzerte, weil ich zuweilen etwas zurücklege, aber bedenke meine Sorgen, noch sieben Kinder zu erhalten, fünf noch zu erziehen, nächsten Winter sind sie alle wieder zu Haus; Du kennst ja meine Ansicht darüber, ich will sie ihre Jugend so lange als möglich genießen lassen, nicht in Faulheit, aber die Geschwister zusammen, soviel es geht. Die Jungen kosten jetzt mit jedem Jahre mehr, und kommen sie vor ihrem 20. Jahre zu einem Selbstverdienste, so kann ich es doch nur als einen glücklichen Zufall ansehen. Die Kleinen werden noch recht viel brauchen, allein schon der Musikunterricht, wieviel kostet der schon jetzt, und dann, soll ich denn gar nicht an meine Zukunft denken? Ich kann ja nicht wissen, ob ich nicht noch lange leben muß? Sollte ich das in steter Sorge um mein täglich Brot? Oder abhängig von meinen Kindern? Meine Gesundheit würde ich allerdings wohl mehr schonen bei weniger Anstrengungen, doch gibt nicht am Ende ein jeder tüchtige Mensch sein Leben für seinen Beruf? Ich übertreibe es doch nicht, denn an innerer Frische und Wärme fühle ich mich nicht ärmer, im Gegenteil jugendlicher als vor 20 Jahren, und glaube, daß ein ruhigeres Leben meinem Kummer nur zu viel freien Raum ließe.
Vielleicht fügt sich später einmal alles glücklicher, vielleicht leben wir doch noch einmal in einer Stadt, und dann wird mir ein ruhigeres Leben Bedürfnis sein – im Zusammenleben mit einem geliebten Freunde könnte ich, glaube ich, noch wieder Ruhe und Heiterkeit finden, ist auch mein Glück verloren.
Mit England habe ich noch nichts beschlossen, ich will es darauf ankommen lassen, ob ich Aufnahme in einem Privathause finde, wo es mich wenig kostet; dann will ich nicht zu angestrengt arbeiten, sondern nur mitnehmen, was sich mir bietet. Ich bezweifle aber doch, daß es sich so fügt.
Hier fand ich noch ein Exemplar der Harfenlieder von Simrock – bei Gelegenheit lasse ich es Dir zukommen. – Deines an Dietrich besorge ich Sonntag, wo ich nach Bonn gehe. Dienstag spiele ich in Köln, Mittwoch bin ich wieder hier, und reise Freitag, den 22. nach Brüssel ab. – Ich bat Hiller, mich statt Roberts Konzert das Allegro in E Moll spielen zu lassen, er will es aber nicht.
. . . . . Von Prinzeß Friederike soll ich Dir viele Grüße sagen – am letzten Morgen brach sie das Stillschweigen zu solcher Kundtuung. Sie waren alle sehr nett gegen mich, aber honorig keineswegs, die alte Fürstin ausgenommen, welche mir durch Frl. Kehler im geheimen 10 Friedrichsdor schickte. Ich war zu einem Hofkonzert engagiert, spielte aber außerdem noch drei Abende dort, ohne einen Heller mehr.
Die Prinzeß schickte mir ein Armband, – ich glaube, es war ein aus ihrer Jugendzeit zurückgelegtes, denn es war so häßlich, daß ich es nicht tragen kann, und habe es hier gleich verkauft, wobei sich alle mögliche Fülle von Blei, Zink usw. zeigte. Man begreift das doch nicht.
Heute ist der goldene Hochzeitstag von Joachim’s Eltern – ich habe schon recht viel daran gedacht. Mit Ungeduld harre ich einer Nachricht über Joachims erstes Konzert. Was werden die Wiener über Den jubeln! Wärest Du nur auch einmal erst dort!
Nun sei mir herzinnigst gegrüßt, mein lieber Freund, und schreibe bald
Deiner
Clara.
Von allen hier schönste Grüße – ich dächte, die Ohren müßten Dir manchmal klingen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
765-768

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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