23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 14150
Geschrieben am: Freitag 08.12.1865
 

Berlin, den 8. Dezember 1865.
Welch schöne Überraschung war mir Dein lieber Brief, mein teurer Johannes! Und wie kam er so recht zur besten Zeit, gerade ehe ich ins Konzert wollte in Breslau. Und vor allem, welch schöne Nachrichten enthielt er! Wie war ich so froh darüber, daß es Dir so gut ergangen, die Leute ’mal das Herz auf dem rechten Flecke gehabt haben. Hätte ich doch Zeuge sein können, vor allem Dich ’mal im Konzert so einen ganzen Abend hören können, wenn Du so recht con amore spieltest! Und die Serenaden hätte ich doch auch gar zu gerne ’mal wieder gehört! Du schriebst mir nicht, wie das Publikum an den verschiedenen Orten Roberts Phantasie aufgenommen? Und was sie zu Deinen Hexen-Variationen gesagt? Das wüßte ich so gern. Über Deine schönen Einnahmen bin ich auch gar sehr erfreut – halte nur etwas Haus damit, denke, daß wieder ein Sommer kommt, wo Du gewiß auch ’mal gern in den Schweizer Bergen herumbummelst. Ich wollte, Du gäbst mir Dein Geld zum Aufheben – willst Du es nicht, wozu es immer mit Dir schleppen? Du brauchst es nur versiegelt für mich an Frl. Leser zu geben oder schicken, sie gibt es mir dann. Ich denke jedenfalls Weihnachten dort zuzubringen und wahrscheinlich den 19. oder 20. dahin zu kommen. Aber sag mir doch, wie geht es zu, daß Du gerade bei Bargheers das Fest zubringen willst? Wenn Du nicht in Hamburg zubringen willst, so steht Dir doch Joachim näher?
Du hast es aber Deiner Schwester versprochen, die freut sich nun schon wochenlang auf das Fest mit Dir, und wie wird es sie betrüben, wenn Du sie täuschest. Denke, daß es der erste Weihnachtsabend ohne die Mutter ist, wie hart für sie! Wäre es nicht schöner, Du brächtest sie so freundlich wie möglich über diesen Abend hinweg und gingest dann zu Joachims? Bitte, sage mir Deine Gedanken hierüber. Du kannst ja denken, wie gern ich Dich zum Fest in Düsseldorf sähe, aber es würde mir ein drückendes Gefühl sein Deiner Schwester gegenüber, und um so mehr, als ich die Freude hatte, Dich den ganzen Sommer zu sehen, und diese noch recht oft zu haben hoffe!
Sage mir recht bald, liebster Johannes, was Du beschlossen.
Ich war also in Breslau, reiste dahin, obgleich ich so unwohl war, daß mich der Arzt durchaus nicht reisen lassen wollte, aber ich mochte nicht im Stiche lassen, lieber riskierte ich etwas. Gott sei Dank, es ist gut abgelaufen, und ich kam gestern wohlbehalten wieder hier an, ganz wohl aber doch nicht, und sehe darum doppelt schwer der Königsberger Reise entgegen. Morgen abend fahre ich ab und treffe Sonntag mittag dort ein. Montag habe ich mein erstes Konzert dort, Dienstag werde ich bei Dir sein mit all meinen guten Wünschen.
In Breslau hast Du uns aber große Verlegenheit bereitet, denn an den Stimmen zum Konzert fehlten nicht weniger denn 2 erste, 2 zweite Violinen, 4 Violen und 2 Cellis und Bässe. Ich weiß, daß alles vollständig war, als ich es Dir gab, wie geht das nun zu? Wer hat das in Zürich besorgt? Ich bitte Dich, schreibe dahin, daß man nachsucht und die Stimmen an Levi schickt – finden sie sich nicht, so muß ich sie mir von Härtels kommen lassen, will das aber doch nicht eher tun, als Du nachgefragt hast.
Deinen zweiten Brief, worin Du mir über das Basler Konzert schriebst, fand ich hier, als ich von Dresden kam, wo ich meinen an Dich am Morgen abgeschickt hatte, von woher Deiner aber war, das konnte ich nur mutmaßen, denn weder Ort noch Datum war zu finden. Nun, jetzt nach Deinem letzten weiß ich ja alles und so schön ausführlich, daß ich Dich immer zu finden weiß, was mir ein behagliches Gefühl ist. Du wirst in Köln gewiß bei Königslöw recht gemütlich leben – es ist doch so ein Stückchen Hamburg! Ist wohl auch Marie Völker da? Grüße sie sowie Königslöws. Rudorff, den Du wohl öfter sehen wirst, grüße auch.
Laß mich bald hören, wo Du bestimmt Weihnachten bist, damit ich mit meinen Gedanken nicht herumirren muß.
Bis zum 16. ist meine Adresse: Königsberg im Hotel zum Deutschen Haus, vom 16. ab hier: Berlin bei Herrn Franz Mendelssohn. –
Hast Du gehört, daß das Konzert in Hannover (das erste Abonnementskonzert) so schlecht ausgefallen ist, daß die Königliche Familie ganz betrübt war und nun alle Minen springen lassen wollen, Joachim wieder zu gewinnen.
. . . . Nun noch ein herzliches Lebewohl, mein lieber Johannes. Gehe es Dir recht, recht gut, wie es Dir immer und immer wünscht
Deine
getreue
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Köln
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
1004-1007

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.