23.01.2024

Briefe



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ID: 14382
Geschrieben am: Dienstag 28.09.1852
 

Düsseldorf d. 28 Septbr. 1852
Meine liebe Marie,
sind Sie mir bös? gewiß nicht, denn ich verdiene es wahrhaftig nicht. Ich habe mit meinem armen Manne schwere drei Monate durchlebt, viel ge¬litten, indem ich ihn leiden sah, und, haben ihm auch die Seebäder sehr gut gethan, so muß er doch noch immer jede Anstrengung meiden, und so lebe ich auch jetzt noch in steter Sorge um ihn, der nun doch einmal mein Liebstes auf der Welt ist. Sie werden wohl durch Frl Leser erfah¬ren haben, daß wir in Scheveningen waren und zwar meine Schwester, die wir recht lieb gewonnen, mit uns; leider mußten wir, weil ich krank wurde 8 Tage länger dort bleiben, als wir wollten, und so verlebte ich meinen Geburtstag leider nicht unter all den Meinigen, aber doch, Gott sey Dank, wenigstens wieder außer dem Bett. Denken Sie, daß ich drei Monate schwanger war, und die Seebäder, die mir der Arzt in Schev |2| unbegreiflicher Weise erlaubte, eine so schlimme Wirkung auf mich hat¬ten, daß ich Fausse couche machte, und zwar gerade an dem Tage, wo wir abreisen wollten; nun denken Sie Sich wie schrecklich, da in einem fremden Orte, ohne ordentliche Pflege! mein guter Mann ist mir wirklich Alles gewesen, er hat mich drei Tage lang nicht verlassen, bis ich so weit war, wieder aufzustehen. Ich bitte Sie aber nicht davon zu sprechen, was mir gefehlt, denn außer Frl. L. weiß es auch hier Niemand, das giebt nur Stadtklatsch. Nun dem Himmel Dank, bin ich doch wieder so weit gene¬sen, nur etwas schwach fühle ich mich noch zuweilen. – Hier fand ich nun 28. September 1852 gleich wieder viel zu thuen, denn meine Leute waren unterdeß ausgezo¬gen, dieß ist auch der alleinige Grund, daß ich Ihnen noch nicht einmal danken konnte für den herrlichen Kuchen, an dem wir vier Tage gezehrt, und ┌zwar┐ mit großem Appetite. Herzlichen Dank für Ihre liebevolle Aufmerksamkeit! –
|3| Meine Schwester reist nun heute ab, und bringt Ihnen wieder Ver¬schiedenes von mir mit, d. h. ein weißes Kleid, welches ich möglichst schön gefärbt haben möchte! vielleicht Kornblumenblau, oder ein schö¬nes braun, das ist mir gleich, nur recht schöne Farbe. Ferner folgen Kra¬gen zur Wäsche und Bänder, welche ich theilweise gewaschen wünschte, theilweise gefärbt; <Sie> ich lege die zum Waschen sowie die zum Fär¬ben besonders, und stecke Zeddelchen darauf mit Angabe der Farbe. Die Leinwand-Proben, sowie Thibet lege ich auch wieder bei, denn die Lein¬wand ist mir zu theuer und der Thibet kostet mich doch weniger, wenn ich ihn hier kaufe, wenn ich das Porto rechne, von Dresden hierher. Nun habe ich aber noch eine besondere Commission: ich habe nämlich 6 paar Schuhe beigelegt, dieselben wünschte ich mit neuer guter Seide (weiß natürlich) überzogen, und zwar thut das eine Frau, welche bei Madam Bartheldes näht, und macht das auch nicht zu theuer. Sie soll eine gute Abend-Farbe |4| (kein zu gelbes weiß) aussuchen bei Herrn Bartheldes, und aber die Schuhe bald fertig <z> machen, denn ich brauche sie bald, d. h. spätestens bis zum 24ten October. Accordieren Sie, bitte, mit ihr für alle 6 Paar, und bezahlen Sie dann auch bei B. das Seidenzeug, welches sie dazu gebraucht hat. Wo ich nicht irre, hat sie mir früher das Paar für 14 sgr mit Macherlohn gerechnet. Noch Eines bittet Sie nun auch mein Mann: leider eine Mahnung wieder an Gottschalk, der noch immer nichts geschickt hat, und es sicher bis 1. Septbr. versprochen hatte. Könnten Sie ihn wohl daran erinnern lassen? Auch liegt noch Etwas bei, was ich eigentlich kaum Ihnen zu schicken wage! es sind dieß Haare, von denen ich einen Zopf mit dem Alten, der beiliegt zusammen haben möchte; hier macht das Keiner, wenn man ihm die Haare nicht gereinigt übergiebt, und selbst reinigen kann ich sie unmöglich, also bitte, geben Sie sie einem kleinen Friseur, und schicken mir dann den Zopf mit <Allem > de<m>n Anderen ┌Sachen┐ zusammen – er wird vielleicht 20 sgr bis 1 rt höchstens kosten. Damit Sie mir nun aber ja kein böses Gesicht machen, lege ich noch Etwas von meinem Manne bei – seine neuesten Klavierstücke, die er mir für Sie gab. 1 rt für die Thieme liegt auch bei.
Nun muß ich Ihnen Adieu sagen, denn ich muß auch dem Vater noch einige Zeilen senden. – Meine Schwester hat mir versprochen Ihnen Alles, was sie von uns weiß, zu erzählen und wollen Sie sie einmal besu¬chen, und gern allein finden, so glaube ich ist die Stunde von 1–3 Uhr die Beste. Ich konnte Ihnen nicht Alles schreiben, denn eigentlich soll ich es noch gar nicht thuen.
So leben Sie denn wohl, meine liebe Marie!
in treuer Freundschaft
Ihre
Cl. Sch.
Die zwei Schachteln folgen auch durch meine Schwester mit.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Lindeman, Marie von (2605)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
1156-1159

  Standort/Quelle:*) D-Dl, s: Mscr. Dresd. App. 16, Nr. 19
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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