Berlin d. 9 März 1855
Lieber Herr Doctor,
herzlich danke ich Ihnen für Ihren Brief, freue mich aber im jetzigen Falle Ihrer gütigen Rathschläge für England nicht zu bedürfen, da ich die Reise dahin aufgegeben habe, aus vielen Gründen, vor allem aber in Berücksichtigung der fortschreitenden Besserung meines geliebten Mannes. Es wäre leicht möglich, daß bei heranbrechendem Frühjahr auch sein Wunsch, mich zu sehen, dringender würde, und es plötzlich von den Aerzten verlangt würde, daß ich hinkäme; auch spricht Er selbst in seinem letzten Brief den Wunsch aus, daß ich nun ruhig in Düsseld. Bleiben möchte. Wir haben nun unser Concert hier bis zum 2ten April verschoben, weil Joachim jetzt keinen Urlaub mehr haben wollte, so kurz vor seinem großen 2 1/2jährigen. So könnten wir also, wollten Sie es, am 2ten Ostertag, Dienstag d. 10 April sehr gut nach Leipzig kommen, und gingen inzwischen nach Breslau, wo wir zwei Concerte im Theater geben sollen. Was dann eine Subscription beträfe so überließen wir das ganz Ihrem Gutdünken. – Sie treffen ja immer das Rechte.
Joachim ist gestern Abend nach Hannover, ich, leider noch hier, und habe nächste Woche noch einige Engagements in Stralsund, Greifswald, ect: ect: wofür mir entsetzlich graut! da reist man noch per Post, und ich Aermste ganz allein! –
Bis zum 20ten aber denke ich nach Düsseld. zurückzukehren. Wollen sie mir wohl gefälligst mittheilen, ob ich die B dur Symphonie hier unter sicherer Aufbewahrung bis zum April liegen lassen darf? es wäre mir lieb, müßte ich Sie nicht erst wieder zurückschicken.
Dann mögen Sie bitte mir auf meine Rechnung mit Beilage derselben zu schicken: 2 Exemplare Lithographie von unserem Medaillon, 2 Exemplare meiner Lieder (bei Ihnen erschienen) 1 Exemplar des Klengelschen Fugenwerks, das Sie angekündigt. Wenn möglich, so senden Sie mir dies Alles recht bald „Herrn Friedländer, Werderstr. Nr. 8“, denn ich empfinge die Sachen gern noch hier.
In Danzig ist’s uns sehr gut gegangen – wir haben da zwei Concerte und eine Soiree in Zeit von 8 Tagen gegeben.
Gestern war hier ein herrliches Concert – die Missa das Wunderbarste, was man hören kann. Ich lege den Zeddel bei – vielleicht interessirt es Sie. Morgen spiele ich im Frauenverein Concert, und soll am Clavier das Requiem für Mignon begleiten, vom Domchor gesungen. Schade, daß es nicht Orchester sein kann! aber das fällt hier furchtbar schwer.
Wollen Sie Ihre liebe Frau, ebenso Frau Livia und Emma herzlichst grüßen, und bald ein Wörtchen Antwort senden
Ihrer
Clara Schumann
Joachim trug mir noch gestern herzliche Grüße an Sie auf.
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