Liebe Frau Schumann
Verzeihung, daß ich nicht gleich schrieb; indeß da das beabsichtigte Fest des Zwickauer Herrn (oder Herrn Zwickauer) erst im Juli sein sollte, so pressirte es am Ende nicht. Ich bin natürlich ganz Ihrer Meinung: nicht Theil zu nehmen. Zu den Gründen gehört<e> namentlich auch die Anwesenheit „Weimar’scher Koryphäen“. Hätte man letztere nicht von vornherein erwähnt, und kämen sie bloß wie der Rest des Publikums verehrend, theilnehmend oder neugierig, Sie könnten nicht aus der Anwesenheit der Herrn Anlaß zur Ablehnung nehmen; aber indem die Veranstalter Ihnen officiell gleich bei der Bitte um Mitwirkung mittheilen daß die Liszt’schen vertreten sein würden, da ferner einer der Wortführer dieser Leute im Comité sitzt, so hieße anzunehmen eine Bestätigung geben für die Annahme Unwissender und Urtheilsloser, daß Schumann mit den neuesten Fortschritten zur Unmusik gemeinschaftliche Sache gemacht habe. Bei der Unredlichkeit und Zudringlichkeit vieler zu Weimar gehörenden Persönlichkeiten würde man nicht verfehlen, dies auf’s rührigste auszubeuten. Aber auch abgesehen davon, finde ich daß sich die Herren vom Komité nicht sonderlich anstrengen: eine Gedenktafel am Hause, und eine Gedecktafelei im Wirthshause – Wär’s eine Büste, oder die Aufführung des Faust! Aber so sollen Sie auch noch das Einzige bedeutende Künstlerische dazu leisten. So feiern wir Gott sei dank Schumann oft in unsern vier Pfählen, und brauchen nicht eine Reise zu unternehmen. Wäre gemüthvolle Wärme und nicht „eitler Stolz“ das Motiv, so sollten die Herrn ganz bescheiden und demüthig das Wenige was sie thun können darbringen, eine Gedenktafel setzen und die wirklich in herzlicher Beziehung zu Ihnen stehenden nähern <Bek> Freunde zusammen bitten, das könnte gemüthlich erhebend sein. Übrigens fände ich den „Stolz“ ohne Eitelkeit auf das „berühmte Stadtkind“ ganz in der Ordnung, nur müßte man sich hübsch zusammen nehmen, und etwas hervorbringen, das von gehobenem Bewußtsein Zeugniß giebt. Sie werden wohl den Herrn in Zw. geantwortet haben – sollten Sie aber erst <zu> auf meine Meinung gewartet haben, (eine Ehre, die ich kaum verdiene), so möchte ich sagen, daß: so freundlich und angemessen die Absicht der Herrn sei ihre Theilnahme zu bezeigen, Sie eine Betheiligung bei der vorgeschlagenen Feier dankend ablehnten, da es Ihnen unmöglich wäre bei einem Anlaß mitwirkend vor das Publikum zu treten, der Ihre Empfindungen so heftig erschütterte. Aber auch in künstlerischer Beziehung würde das Zusammenwirken und Feiern mit „Koryphäen der Weimar’schen Schule“, deren Betheiligung man Ihnen officiell mittheilte dem Geiste Schumann’s zu sehr widersprechen, der seine Abneigung und Mißbilligung eben dieser Schule zu oft und nachträglich ausgesprochen hätte, als daß Sie einen Zweifel darüber haben könnten. – Über den Protest habe ich nichts mehr erfahren – Franz lehnte aus sentimentalen Rücksichten gegen Liszt ab, andere verklausuliren sich, kurz da doch nicht an ein würdig ernstes Auftreten en masse zu denken ist, so muß eben jeder für sich arbeitend suchen, einen dauerhaftern, im Grund noch <halt> wirkungsvollern Damm durch Werke zu errichten. – Daß Sie nicht nach London gehen, ist mir für Sie lieb; Ruhe wird Ihnen gut thun, und ich darf so auch hoffen Sie öfter zu sehen. Der König erwartet Sie, wie er mir neulich sagte, mit großer musikalischer Ungeduld. Für die Probe mit Orchester ist der Mai jedenfalls günstiger; schreiben Sie nur vorher, ja es wäre mir lieb, wenn Sie gleich etwas bestimmten, da mich eine Geigenreparatur nöthigt im Laufe Mai auf einige Tage nach Leipzig zu gehen, die ich aber nach Ihren Bestimmungen wählen will.
In herzlicher Ergebenheit
Joseph Joachim.
Viele Grüße den lieben Kindern.