Am 7ten Januar
Liebe Frau Schumann
Es ist hoffentlich kein böses Omen, daß ich das neue Jahr mit Nichtschreiben anfange, sondern nur ein Zeichen, daß ich der alte unverbesserliche, aber treue Freund bleibe. Als ich Ihre zarte Aufmerksamkeit am ersten Weihnachtsabend gewahrte, den herrlichen alten Gluck-Band, wollte ich gleich schreiben – mußte aber doch bei Scholzens bleiben, wo es übrigens auch ganz gemüthlich wurde! Aber Ihre Partitur war doch das Schönste, und sogar lieber noch als die sieben Raben, die ich dies mal von der Königin bekam. Meine Ursi hat mir allerlei reizende Sachen gestickt, und mir Schlossers Weltgeschichte6 aufgebaut, die ich mir lange gewünscht hatte, und so werde ich allerlei freundliche Weihnachtserlebnisse erzählen können, wenn Sie kommen, was ja Gott sei Dank nahe bevorsteht! Aber daß uns die Post solche Possen spielte! Es that mir zu leid, wie ich’s hörte! Auf meine Beschwerde ist noch nichts erfolgt. Denken Sie, daß auch ein Packet an meine Frau aus Wien verloren ist, und daß Johannes ein hier frankirtes Packet mit Brief nochmals bezahlen mußte. Die Callabs scheinen sich zu vermehren! – Von der 9ten Sinfonie habe ich schon eine Orchester- und eine Chor-Probe gehalten; sie steht fest, und es ist eine unbeschreibliche Freude sie mit diesem Orchester einzustudiren, über die man selbst den politischen Jammer zeitweilig vergißt. Mit Ihrer Wahl bin ich ganz einverstanden; es ist mir lieb etwas von Hiller im Programm zu haben. Man hat seine Oper hier schmählich ungerecht behandelt! Die Proben sind am 14ten u. 15ten; ich wollte sie wären beide in Ihrer Gegenwart. Übermorgen ist unser 4tes Quartett: Mozart (No 10 in D) Schubert (Bdur Trio) u. Beethoven (Cmol Quartett.) Meine Ursi liegt zu Bett; wir haben Schlittschuhlaufen gelernt, und sie erkältete sich dabei, aber ungefährlich. Sie grüßt von Herzen und freut sich aufs Wiedersehen,
wie auch
Ihr treu ergebner
Joseph J.
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