23.01.2024

Briefe



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ID: 17456
Geschrieben am: Donnerstag 12.09.1867
 

Hannover, am 12ten Septbr

Liebe Frau Schumann

Der Tag morgen darf nicht ohne Gruß von mir vorübergehen, da ich leider nicht selbst bei Ihnen sein kann! Sie werden bei dieser wohlthuenden Herbstsonne Sich gewiß Ihr liebes Thal von irgend einer Bergspitze aus warm vergolden lassen, und Sich mit den Töchtern von Herzen daran freuen! Die sind wohl bei Ihnen, auch Eugenie, während die Söhne von Berlin aus ihre Gedanken zu Ihnen schicken. Ist’s so? Ich verlange herzlich wieder einmal von Ihnen zu hören. Manchmal ist mir’s, als dächten Sie weniger gern an mich, und ich sehne mich nach Schelte um sicher zu sein daß heitrer Himmel nachfolgen muß, wenn Sie die Wolken wegwettern –. Auch wir feiern heute einen Geburstag, unsres Johannes Dritten; der Junge denkt aber es sei Weihnachten. – Vorige Woche waren wir im Harz; meine Frau bekömmt als Steyermärkerin manchmal gar große Sehnsucht nach Bergen, und mir geht’s, trotz der ungarischen Pußta, nicht anders. Wäre Baden nicht so weit, wir wären lieber dahin, aber meine Ärmste darf nicht weite Fahrten unternehmen. Ich darf gar nicht denken ein wie geplagtes Geschöpfchen sie ist, will ich nicht traurig sein. – Die Roßtrappe im Harz ist aber gar großartig, und wir haben recht Genuß gehabt. Auch Julie von Asten war mit. – Meine Pläne haben sich dahin verändert, daß ich erst gegen den 10ten November nach Wien gehe, vorher habe ich in einem von Scholzens Concerten in Berlin zu spielen versprochen, und will bei der Gelegenheit ein paar eigne geben, auf der Reise nach Wien auch vielleicht in Breslau einmal spielen. Wo werden Sie den Winter zubringen? Wohl auch viel im Eisenbahn-Coupe! Da ist Ihnen vielleicht die mitkommende Lektüre manchmal erwünscht, und ich hoffe Sie nehmen Sie [sic] zu dem Zweck freundlich an, sie soll interessant sein! Während der letzten Wochen verging kaum irgend ein Tag ohne durchreisenden Besuch, Ihnen gehts wahrscheinlich eben so, und ich will Ihnen wenigstens für morgen Ruhe wünschen.
In herzlicher Ergebenheit
Ihr getreuer
Joseph Joachim

Liebste Frau Schumann!
Nur einen herzlichen Gruss u. Glückwunsch kann ich beifügen, u. die Bitte mich auch ein klein wenig lieb zu behalten! – Wie lange habe ich Sie nicht gesehen! Und wann soll es endlich werden?! Tausend Glück! Ihre Ursi J.

Die Bildchen der Kinder müssen erst erneut werden, wir hätten sie
gern heut geschickt, wurden zu spät inne, daß sie fehlten.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
935f.

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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