Hannover, d. 26ten
Liebe Frau Schumann
Es thut mir von Herzen leid, daß Sie das Mendelssohn-Concert in Leipzig nicht mitmachen, zuerst der Sache wegen, und weil es auch eine so schöne Gelegenheit gewesen wäre <s>Sich zu sehen. Wie lange bleiben Sie denn im Böhmerland, und wohin wenden Sie nachher Ihre Schritte? Wir gehen nun übermorgen (den 28ten) nach Köln, von dort nach Koblenz, und werden uns nach dem Fest jedenfalls noch 10–12 Tage am Rhein herumtreiben. Das Schweriner Musikfest ist auf Ende Septbr verlegt. Für die Kinder ist während der ganzen Zeit bei der gütigen Cousine Jetty (Frau Landau) trefflich gesorgt. Es geht ihnen allen gut; Ihr Pathchen ist eben auf dem Kuhpockenkulminationspunkt und dadurch ein wenig nergelig. Es war aber richtig, sie vor der Reise zu impfen. Sonst ist die Kleine gar lustig und lieb; das Gegentheil würde ich ihr bei solchen Pathen auch verargen! Ich muß sagen, daß ich eigentlich ungern jetzt das Haus verlasse, so Schönes ich mir vom Rhein verspreche. War ich doch seit ich Sie gesehen kaum 14 Tage ununterbrochen daheim, und unser Garten ist so schön. Ich mußte in Berlin mir doch mein Grundstückchen (ein kleiner Kieferhain, 10 Minuten Eisenbahnfahrt <b> in Lichterfelde) besehen, bevor ich mich zum bauen entschloß. Meine Freunde haben mir schon allerlei dagegen gesagt; aber ich finde nichts stichhaltiges, denn da ich nun einmal in Berlin residiren will, möchte ich nicht gezwungen sein jedes Jahr mit dem ganzen Kindergesindel eine große Reise zu machen. In Lichterfelde ist aber die Luft so gut, daß man es schon Sommers aushalten kann, und mir, der ich an Londoner Verhältnisse gewohnt bin, kommt die Eisenbahnfahrt zur Stadt nicht so ungeheuerlich vor. Zudem kann ich gewiß das Ganze ohne Schaden jederzeit los werden. Kritisiren ist immer leichter, als etwas besseres vorschlagen! – In Kopenhagen hat es mir sehr gefallen; wie intelligent und fein ist doch Gade. Außer Brahms wüßte ich doch keinen Musiker, der ein so <> subtiles, musikalisches Verständniß für alles Schöne hätte. Wie trefflich und gewissenhaft studirt er auch ein! Ich habe ihm erwähnt, daß es Ihnen wohl Freude machen würde wieder einmal in Kopenhagen zu spielen, und er hat mit Ersler überlegt ob der Musikverein Sie für Anfang des Winters einladen könnte. Gewiß wird das gehen, und Sie hören wohl bald von ihnen. Jedenfalls sollten Sie beim Entwerfen Ihres Winterfeldzugs darauf Rücksicht nehmen, und bei dem (leider wohl auch) schreibfaulen Gade anfragen, wenn er nicht vorher schreibt. Ich habe dreimal im Musikverein gespielt, und ein eignes Orchester-Concert gegeben, das voll war. Die schöne Jahreszeit hielt aber von fernerem Concertiren ab. – Mir graut eigentlich vor dem Concert in Leipzig in der ärgsten Hitze; aber <freilich> der Zweck läßt keine Absagegedanken aufkommen. Mir ist’s unbegreiflich, daß die Herrn nicht lieber ein ordentliches Musikfest vor Anfang der Gewandhaus-Concerte mit schönen Choraufführungen von Bach’schen Sachen und Betheiligung des Conservatoriums, kurzum etwas ganz Würdevolles unternommen haben. So ein Virtuosen-Concert im Theater als Anfang für ein<e> Mendelsohn-Denkmal gefällt mir nicht! Sie denken gewiß ebenso. Lassen Sie wohl einmal von Sich und den Kindern hören? Unsere Cölner Adresse ist Victoria-Hotel, Heumarkt, später Jetty Landau, Coblentz.
Mit herzlichem Gruß von mir und Ursi an Sie u. Marie
Ihr
Joseph J.
Gestern kam Brahms hier durch, 11.35 Abends, gieng noch weiter an den Rhein, wo ich ihn wiedertreffe.
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