B. d. Vten Juni
Liebe Frau Schumann!
Der Inhalt der beigefügten Depesche ist von mir bereits gestern telegraphisch an Wasielewsky besorgt worden. Sie haben Wunder bewirkt, Rudorff dazu zu vermögen! Mich freut es sehr, denn wenn es gut ausfällt, woran ich nicht zweifle, so veranlaßt dies unsern Freund am Ende öfter seine Publikum-Scheu zu überwinden; und da’s so wenig gute Spieler hier giebt, wäre das ein entschiedener Gewinn. Ihre Bedenken über die Länge des gemischten Programms theile ich nicht; doch will ich auf das Nachtlied allenfalls verzichten:
Manfred-Ouverture 10 Minuten
Klavier-Concert 25 " " "
C dur Sinfonie 35 " " "
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70
Faustmusik 45
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115.
Also noch nicht 2 Stunden, obwohl ich reichlich gerechnet habe, und 1/2 Stunde Pause. Denken Sie doch, daß man bei außerordentlichen Gelegenheiten viel Genußfähigkeit mitbringt. Mit der Peri und der D moll Sinfonie vorher ist’s vielleicht schon eher zu bedenken. Indeß ein frischer voller Orchesterklang scheint mir doch zu Anfang eines Musikfest<>es geboten, und die D-moll ist eine der kürzesten Sinfonien (25 Minuten)! Die Genoveva Ouverture scheint mir kein richtiger Gedanke vor der Peri: denn um eine Pause darauf folgen zu lassen, ist sie nicht lang genug, und in unmittelbarer Verbindung mit der Peri zu wenig der Stimmung entsprechend. Ich glaube nicht, daß Sie die Länge am Abend empfinden werden. Sagen Sie mir doch welche Lieder oder Balladen Sie für den letzten Tag am passendsten halten. Stockhausen sollte die Löwenbraut singen. Meine Frau müßte Frauenliebe und Leben singen, wär’s nicht viel zu lang, und Fragmente halte ich für unpassend. Aber was? Möchten Sie mir bald wieder ein Wort zukommen lassen! Ich freue mich immer so sehr über einen Brief von Ihnen, auch noch so kurz. Von meiner Frau und mir, Ihnen, den Kindern und Bendemanns die
herzlichsten Grüße.
J. J.
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