Baden-B. villa Stadelhofer.2 18 Novbr 72
Theure Frau Schumann!
Kaum wagte ich meinen Augen bei der schrecklichen Zeitungsnachricht zu trauen, daß Ihre liebe Julie „nach schwerem Leiden zu Paris entschlafen“ sei und kann nicht umhin, Ihnen unverzüglich meine innigste Herzenstheilnahme an dieser neuen entsetzlichen Prüfung auszudrücken welche für Sie, für den armen gebeugten Wittwer, für die armen beiden Söhnlein ein solch harter Schlag ist, daß man Mühe hat, ihn nur zu fassen! Ich würde dankbar sein, etwa durch Elisens freundliche Feder auch nur einige nähere Worte über dieses tief betrübende Ereigniß zu erfahren welches mich für Sie Alle, u. für die theure Mutter ins Besondere, so unendlich schmerzlich bewegt! Nichts kann Ihnen wiedergeben wie sehr ich für Sie fühle. Doch leider Gottes vermag menschlicher Trost ja garnichts zu helfen! Möge Ihrer starken Seele auch dies Mal Kraft u. Ergebung nicht versagt bleiben u. Ihre theure Gesundheit trotz der übergroßen Erschütterung Stand halten; möge es auch jetzt der herrlichen Kunst, dieser ewig warmen u. ewig frischen gelingen Ihr gramerfülltes Innere nach u. nach zu beschwichtigen u. Ihr Leid zu stillen – sofern dies nur irgend denkbar ist! den lieben, verklärten Engel werden Sie zwar immer vermißen! obgleich er Ihrem eigentlichen näheren Familienkreise durch die große Entfernung schon jahrelang entrückt war – doch wußten Sie Ihre Julie so glückselig in ihrer Häuslichkeit! u. ich will hoffen, daß Ihnen im letzten Jahre oder jetzt noch vor ihrem Hinscheiden ein Wiedersehen geschenkt worden war. – Ach! – wie gern sähe ich klar in dieser jammervollen Begebenheit u. wie ängstige ich mich, sollte ich noch hören müßen, daß die Ärmste arg gelitten habe – wie die Traueranzeige ja leider besagt – u. das Wie u. Wo u. Was beschäftigt mich unabläßig!! – Hier bin ich nun im wintertrüben Baden seit 5 Tagen, u. gedenke der schönen Vergangenheit; mit einem 6 monatlichem reizend lieben Töchterchen im Arme.
Frl. v. Steuber beauftragt mich brieflich, (sie weilt ihrer Gebrechlichkeit halber einige Monate bei ihrem Bruder zu Neu Strelitz) [u. bittet,] Ihnen ihr aufrichtiges Beileid aussprechen zu wollen; empfangen Sie nochmals die Versicherung meines wärmsten, tiefbewegten Antheils, liebste Fr. Schumann, nebst der Bitte um ein freundschaftliches Gedenken; Gott mit Ihnen, mit uns!
Herzlich die Ihrige
Anna
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