23.01.2024

Briefe



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ID: 17833
Geschrieben am: Freitag 18.02.1881
 

18 Febr 1881
Meine liebe treue Freundinn!
Uebermorgen wollen Sie nach London reisen und da ist’s mir als müsste ich noch einmal ein „Gott geleite Sie“ zurufen. Und nicht nur Sie, nein auch den lieben, lieben Joachim! Was der Arme wohl leidet! Immer, immer muß ich seiner gedenken. Aus sicherer Quelle hörte ich Gestern aus Berlin, daß aus der Scheidung nichts wird. Aber doch – der Liebeshauch ist ja doch fortgenommen! Könnt ich den lieben Menschen nur einmal sprechen, so recht, wie treue Freunde es thun – ihm schreiben? Nein das geht nicht, wie oft ist mir der Gedanke dazu gekommen! O reden Sie zum Frieden – eine Trennung ist ja bei den lieben 5 Kindern das Härteste was sich denken läßt. Welch ein Lehrgeld! Vielleicht kann damit Frieden, wenigstens erträglicher, erkauft werden. Ach, grüßen Sie ihn von mir, wahrlich unser Herzblut gehört auch ihm!
Einliegend sende ich Ihnen unser heutiges Programm mit, vielleicht gewährt es Ihnen Freude zu sehen, wie köstlich die Soli besetzt sind, das Werk ging Gestern in der Hauptprobe, die von 1 700 Zuhörern besucht war, ganz herrlich. Wie ist’s aber auch wunderbar schön! Ach, und welche Sehnsucht nach Stockhausen überkam mich. |2| Nein, so wie er, singt’s Keiner, auch nicht annähernd, so gut es auch Gura singt. Es ist eine solche Weihe, solch tiefes Verständniß im Stockhausen. Wenn ich an sein Singen denke, und wie oft ist das der Fall, dann fällt mir fast unwillkührlich Göthe’s „Ich besaß es doch einmal, was so seelig macht“ usw, auf sein Singen angewandt, ein.
Jammerschade, daß er, trotz unser Bitten, nicht kommen konnte. Wir hatten sogar mit Gura die Verabredung getroffen, für Stockhausen einzutreten, falls er’s nicht ganz durchführen könnte, wozu sich Gura bereiterklärte. Grüßen Sie auch ihn und sagen Sie ihm, daß ich treu wie Gold für ihn fühle u denke.
Zur Mühlen sagte mir Ihren Gruß, Menschenkind, aus wie vollem Herzen grüße ich Sie! Aber auch den lieben, lieben Joachim.
O, es durchschneidet ein so furchtbares Weh mein Herz, wenn ich an ihn denke!
Auf dem Programm habe ich unter den Namen der Solo Sänger, die Zeit in der das Werk componirt ward, so weit ich es irgend nach genauer Forschung erfahren konnte, abdrucken lassen, ist’s auch recht so?
Bei der Liebe und Bewunderung der Hamburger für die Werke Ihres Robert, ist jede Notiz über ihn, vom größten Interesse.
|3| Nochmals „Gott geleite Sie![“]
Nicht wahr, ein paar Worte senden Sie mir über Sich und Joachim, von London aus?
Grüßen Sie die Ihrigen
Ihr treuer Freund
Th Avé Lallemant.
auch meine Frau grüßt Sie und Joachim.







  Absender: Avé-Lallemant, Theodor (121)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 24
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Norddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Thomas Synofzik, Ute Scholz und Arend Christiaan Clement / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-034-6
259ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,106
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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