Axenstein bei Brunnen den 12t Sept. 71. Abends 9 Uhr.
Meine herzlich geliebte Clara!
Unsre innigsten Glückwünsche fliegen also vom schönen Schweizerlande zu Ihnen, u kommen wohl erst den Tag später, was mir herzlich leid ist – aber nicht zu ändern war! – Und ein geistig Nahesein, meine ich, müßten Sie morgen fühlen, denn sicher erflehen wir so warm u treu das Beste für Sie u Ihre Kinder als es unter geliebten Menschen möglich ist! – Gott hüte Sie Alle – Alle! Es war zu schön, daß wir Mal wieder bei Ihnen sein konnten u kam mir dieser köstliche Anfang unsrer Reise gleich als besonders wohlthätig vor! Herzlichen Dank wieder u wieder für so viel Liebe u Güte. Auch Felix hat es so sehr gut bei Ihnen u mit Ihnen Allen gefallen; er genießt mehr wie die meisten jungen Leute eine behagliche Häuslichkeit, wenn er auch wenig darüber äußert. Und ebenso fühlt er tief u fein alle geistigen Genüße u Alles Edlere am Menschen, so daß es wirklich für uns große große Freude ist mit ihm zu sein! – Ärgerlich war am Sonntag 1 Stunde Warten’s in Oos, weil der Zug sich verspätete – so kamen wir erst im Dunklen nach Basel. Sonst aber ist es uns sehr gut ergangen. – Montag bei Zeiten ging es nach Luzern, wieder im schönsten Wetter, das uns auch bis jetzt geblieben, so daß wir eben die Höhenluft hier noch aufsuchen konnten! – In Luzern, in Brunnen, überall ist es ja köstlich am schönen See, aber die Luft hier oben ist unendlich reiner u kräftiger. Das Grün der Wiesen u Matten entzückend, die Spaziergänge trefflich, im Walde, in den Matten, wie man will; u die Anlage des Hauses mit schöner Terrasse sehr angenehm! – Der Sonnenuntergang [hinter dem Pilatus] heute war herrlich u man trennt sich ungern von dem Herumwandern draußen – aber die Abendkühle treibt dann doch hinein; meine Herren lesen noch Zeitungen im Lesezimmer. Für Alles ist auch hier gut gesorgt u man staunt wirklich, wenn man sieht was Alles auf die Höhen gebracht wird u was der Mensch mit Fleiß u Erfindungsgabe Alles bewältigt! – Doch ich vergesse, wieviel Sie dieser Tage zu lesen haben werden – also schnell adio theuerste Clara! – Wir denken 8 Tage hier zu bleiben, wenn das Wetter sich gut hält – dann vielleicht noch nach Interlaken – Thun –
Mein Mann u Felix senden die besten wärmsten Wünsche u Grüße mit mir.
Herzlich umarmt Sie in Gedanken
Ihre getreue
Lida B.
Durch Frl. Leser hoffe ich Näheres bald von Ihnen zu hören; meine Marie schreibt mir, was Sie von Frl. Leser hört! –
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