23.01.2024

Briefe



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ID: 18031
Geschrieben am: Montag 06.12.1886
 

Düsseldf 6 Dcbr 86
Liebste Freundin
Sie haben mich durch Ihr Telegramm mit Joachims, Maries u Eugenies Unterschrift sehr erfreut und gerührt u nun hielten Sie das noch nicht genug, sondern senden mir einen so liebevollen u freundschaftlichen Brief, dß ich fürchten muß, Sie werden in diesen Zeilen nur einen dürftigen Wiederklang finden. So wie Sie, kann Niemand seine Gefühle aussprechen; sie sind so warm u so wahrhaftig empfunden, dß sie dem Eindruck gleichen, den Sie aus dem Flügel herauslocken u der alle Welt entzückt, sowie jetzt wieder die ehrsame Frankfurter Einwohnerschaft. Wer da dabei gewesen wäre, mein Lieblingsstück! oder eins meiner Lieblingsstücke; denn es gibt noch mehr Entzückendes in Ihrer Kunst von welcher Schiller sagt, dß nur Polyhymnia die Seele auslauscht. An der zweiten Folge der Briefe Ihres unvergeßl. Mannes haben wir uns sehr erfreut, wenn auch vielleicht im Ganzen, m. E. Einiges gegen die erste zurückbleibt. Aber höchstinteressant ist Alles. Unvergleichlich ist sein Urtheil über Wagner. Aber wer glaubt solcher Predigt? Mich Laien hat es höchlich befriedigt, daß ich, selbst über das Musikalische in Wagner, mein Gefühl vollständig bestätigt gefunden! Joachim ein paar Stunden bei uns gehabt zu haben, war uns eine große Freude, der arme, zu gute Kerl! Er versprach uns vielleicht auf seiner Reise nach Paris oder England mit seiner Violine wiederzukommen. Es plaudert sich so gut mit ihm u ich bin froh, dß mein jetziger Papageno-Zustand damals noch nicht eingetreten war. Hoffentlich bringt mich bis zur Wiederkunft (auf welche ich freilich nicht sehr bestimmt rechne), die Elektrizität wieder in Gang. Lida ist nicht krank, hat aber manchmal etwas schwache Stunden, so dß sie sich etwas in Acht nimmt. Der Ostwind ist stets ihr Feind – heute naht aber schon wieder der West, mit feuchten Schwingen u es ist so dunkel, dß der Maler seinen Weg nur im Nebel sucht, wie das Maulthier[.] Von Felix hatten wir heut einen Brief aus Singapore v 6 November. Es geht ihm trotz der Hitze des Äquators gut. Nur hatten die Ratten in seinem Schiff so überhand genommen, dß sie dort gewaltige Vertilgungsmaßregeln ergreifen mußten d. h. viele Wände aufbrechen, um ihren Nestern nahe zu kommen. Er mußte Nachts oft aufstehen u mit dem Säbel das Volk verscheuchen, um nur einigermaßen Ruhe zu bekommen. Das wäre was für uns feinfühlende Seelen! Es ist Hoffnung! vorhanden, dß er im Frühling zurückkommt. Nehmen Sie mit diesem Geplauder vorlieb grüßen Sie die Kinder bestens! Gott erhalte Ihnen die Kraft zu so vieler Beschäftigung u Arbeit u behalten Sie uns ferner in guter Erinnerung.
Lida grüßt bestens
Ihr
E Bendemann

  Absender: Bendemann, Eduard (174)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  SBE: II.6, S. 339ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 5,68
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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