Utrecht, den 16/2 77.
Meine liebe Frau Schumann!
Gestern kam ein Brief für Sie noch hierher, den ich heute Morgen gleich nach Brüssel adressirt habe und nun will ich selbst noch einige Zeilen folgen lassen.
Sie können sich gar nicht denken, wie öde und leer es mir vorkam, nachdem Sie fort waren, und wie sehr wir Sie vermissen. Es waren aber auch zu herrliche Tage, die wir durch Ihren lieben Besuch gehabt und die Erinnerungen an Ihr Hiersein haben unser Leben um ein großes Theil reicher |2| gemacht, und je länger Sie weg sind, desto fester suchen wir jeden Augenblick zu halten, den wir mit Ihnen verlebt haben. Sie haben uns so glücklich gemacht, liebe Frau Schumann! Es war so rührend gut von Ihnen, daß Sie bei uns fürlieb genommen haben, da wir Ihnen leider so wenig Bequemlichkeit und Annehmlichkeiten verschaffen konnten. Aber ich hoffe, Sie fühlen, daß wir nicht undankbar sind; mein Mann hatte viel zu trösten, und nach dem Abschied wurde es mir schwerer als je, den Abend bei D.’s zuzubringen. Mit meinen Gedanken war ich nicht da, und von allem Erzählen über Rom u. die Reiseerlebnisse habe ich nichts gehört. Mir komm<t>en |3| <A>alle<s> Menschen so kalt und langweilig vor, außer den Stunden, wo ich mit meinem Mann zusammen bin, seitdem Sie nicht mehr hier sind. Darum bin ich am liebsten allein, denke an alles Schöne, was wir durch Sie genossen haben und suche darin zu leben. Die Weise, wie Sie Ihre herrliche Kunst treiben, hat mir wieder tiefen Eindruck gemacht; das Bild werde ich lebendig vor Augen behalten, wenn ich jetzt studire. Könnte ich Ihnen nur zeigen, wie dankbar ich Ihnen für Alles bin, was Sie mir gesagt haben. – Soeben kommt ein so lieber Brief von Ihrer Marie; wie liebenswürdig, daß sie uns sogleich geschrieben. Aber wir haben Mitleid mit Ihnen, daß Sie im Hôtel so schlechte |4| Zimmer bekamen. Hoffentlich fanden Sie es im zweiten besser; die holl. Hôtel’s sind meistens unbehaglich. Werden Sie sich gestern nicht zu sehr ermüdet haben? Es thut mir so leid, daß Ihre Erkältung sich noch verschlimmert hat und der Rotterdammer Saal zeichnet sich auch durch die hier beliebte „frische, kalte Luft“ aus. Möchten Sie den Tag glücklich überstanden haben; ich wäre so gern noch bei Ihnen gewesen u. wünschte mich gestern Abend so oft in Ihren Concertsaal. Hier hörten wir die Florentiner, die mir sehr gefallen hätten, wenn Becker zuweilen etwas einfacher u. weniger vortrüge. Seine Empfindung klingt oft an den Haaren herbeigezogen. – Nun, liebe Frau Schumann, haben Sie mehr Dank, als man mit Worten sagen kann u. denken Sie, wenn Sie uns glücklich machen wollen, zuweilen an uns, aber schreiben Sie nicht. Viele, viele Grüße und innige Umarmung von Ihrer
Sie verehrenden E. E.
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