23.01.2024

Briefe



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ID: 18284
Geschrieben am: Donnerstag 05.01.1893
 

Leipzig 5 Januar 1893
Liebe verehrte Frau Schumann!
Gern werden wir Alles thun um Hrn Borwick zur Erfüllung seines Wunsches zu verhelfen. Sein Name ist uns schon durch Prof. Joachim, Hausmann u. a. sehr wohl bekannt. Wir haben ihn sogar schon Anfang des Winters unserer Concertdirektion daraufhin warm empfohlen. Es werden aber in Holland die Engagements der Solisten für die große Tournée bereits im Oktober abgeschlossen, so daß nur für den Fall einer Verhinderung noch Aussicht besteht. Solche tritt aber so häufig ein, daß ich es nicht für |2| unmöglich halte, Hrn B. noch in diesem Winter in holländischen Concerten auftreten zu sehen. Freilich wird er nicht leicht die ganze Tournée (Utrecht, Arnhem, Rotterdam, Haag) bekommen, da in jenem Falle jede einzelne Stadt für sich zu handeln pflegt. Doch werden wir uns bemühen. Will Hr. B. zuvor noch nach Holland kommen, so möge er das nicht vor etwa 25. Januar thun. Vor dem 20.ten sind wir kaum zu Haus und in den ersten Tagen nachher sehr beschäftigt. Seit dem 1ten Jan. bin ich nämlich mit Emma in Leipzig, bei m. Mutter. Leider laboriren letztere u. ich an einem argen Katarrh, der es mir noch nicht möglich machte Jemand zu sehen ober etwas zu hören. Doch geht es jetzt besser. In 1–2 Tagen wird wohl Alles beim Alten sein. Emma dagegen ist sehr guter Dinge, hatte gleich am Neujahrsabend Joachim im D-dur Concert von |3| Mozart <zu> hören können, ist heute mit m. Schwester auf 1 Tag nach Dresden, das sie noch garnicht kennt u. wo sie die Sixtina sehen, vielleicht auch Rubinstein hören wird. Uebrigens schwelgt sie, wie Sie richtig vermuthen, in den neuen Brahmsschen Claviersachen, die ja wieder eine Fülle originellster, gemüth- u. geistvoller Musik bringen. Daneben hat sie sich aber auch an die Kreisleriana gesetzt, die ihre nächste Hauptaufgabe bilden nach der Heimkehr. Darauf freue ich mich ganz besonders.
Eine wahre Herzensfreude war es für uns, von Ihnen u. den Ihrigen so Gutes zu hören, wenn ja freilich Ihrem Nervensystem das neue Jahr noch manche Besserung scheint bringen zu können. Aber das ist doch schon ein großer Gewinn u. zeigt daß Sie auf bestem Wege, daß Sie wieder arbeiten u. spielen können. Wie lange haben Sie diesen Genuß wohl entbehren müssen? Und dazu die Freude über die nach-|4|haltige Besserung des Befindens und die glückliche Gestaltung der Londoner Thätigkeit von Frl. Eugenie! Das trägt gewiß nicht wenig zur Hebung der Stimmung und weiteren Kräftigung Ihres Nervensystems bei! – Beinah hätten Sie mich vor einer Woche in Frankfurt gesehen. Ich war 4 Tage in Paris zum Jubiläum von Louis Pasteur, als Vertreter unserer Universität. Von da war der kürzeste Weg nach Leipzig über Frankfurt. Doch mußte ich leider wieder über Utrecht zurück; so hoffen wir auf den Sommer, nach dem man in all dem Schnee u. Eis mitunter schon recht herzlich verlangen kann.
Die Meinigen senden Ihnen die wärmsten Wünsche, für Sie und Ihr ganzes Haus!
In treuer Verehrung allezeit Ihr herzlichst ergebener
ThW Engelmann.
Hr. Borwick hat wohl die Güte, falls er nach Utr. kommt, dies uns einige Tage vorher wissen zu lassen, damit wir ihm einige musikal. Leute einladen können.

  Absender: Engelmann, Theodor Wilhelm (423)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
748ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,155
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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