23.01.2024

Briefe



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ID: 18287
Geschrieben am: Dienstag 13.05.1890
 

Bonn 13. 5. 90
Hochverehrte, liebe Frau Schumann!
Es ist mir ein Bedürfniß Ihnen zu sagen, wie wir Sie hier vermissen! Und gewiß, was Emma u. ich fühlen, theilen alle die diese Beethovenfeier hergeführt hat. Für uns alle ist der Name Beethoven mit dem Ihrigen so untrennbar verschmolzen, daß einer Feier zur Huldigung Beethovens, der Ihre Gegenwart fehlt, gleichsam der höchsten persönlichen Weihe uns zu entbehren scheint. Wenn Beethoven |2| und besonders der Kammermusiker, nicht mehr den Auserwählten sondern der Gesammtheit der für Musik empfänglichen Menschen gehört, so danken wir das in erster u. wesentlicher Linie Ihnen, die Sie zuerst, und nachhaltiger und idealer als alle die Ihnen folgten, den ganzen Schatz der Sonaten, Trios u.s.w. der Menschheit vermittelten. Die Erfahrung, die Tausende an sich gemacht haben werden, ist auch die meine, und ich empfinde es noch als ein höchstes Glück, daß ich in meiner Jugend eine Reihe der Hauptwerke B.’s zuerst von Ihnen hörte und damit ein Bild der ganzen Gattung erhielt, das sich nun ein ganzes Leben hindurch in voller Herrlichkeit erhalten hat.
|3| Sie können begreifen, wie schmerzlich Sie uns nun fehlen, doppelt da Sie in jugendlicher Kraft noch wirken konnten. Es ist unter diesen Umständen für uns fast ein Trost, daß auf dem Festprogramm die Claviersonaten so außer allem Verhältniß zu Zahl u. Bedeutung so spärlich vertreten sind. Denn wer kann sie spielen?! Mir scheint hierin die unbewußte Anerkennung einer großen Lücke in unserer modernen Clavierkunst zu liegen. Sie füllten sie aus, Sie allein hätten sie auch jetzt schließen können!
Sie verzeihen, daß mir diese Worte entfallen, die fast nach einem Vorwurf klingen und doch nur der Ausdruck eines der wärmsten, höchsten Verehrung entspringenden Gefühls sind, das mich nun eben in diesen |4| Tagen nicht verlassen will!
Wir hoffen noch im Stillen, daß Sie – etwa morgen Abend da Joachims Quartett gehört noch erscheinen werden. Ein Gerücht derart geht um. Wie herrlich, wenn es Wahrheit würde!
In treuer Ergebung, mit den herzlichsten Grüßen von Emma u. mir
Ihr
ThW Engelmann

  Absender: Engelmann, Theodor Wilhelm (423)
  Absendeort: Bonn
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
694ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,18
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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