23.01.2024

Briefe



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ID: 18299
Geschrieben am: Samstag 21.03.1891
 

Utrecht 21. 3. 91
Liebe, verehrte Frau Schumann!
Wie leid thut es uns daß wir uns gar nicht um Frau Schubart bekümmern konnten. Sie hat Ihnen vielleicht schon erzählt, wie es kam. Ich lag mit tüchtigem Fieber zu Bett – wohl Influenza – dessen Folgen ich noch sehr spüre und Emma war im Begriff zum Geburtstag ihrer Mutter nach Mecklenburg abzureisen. Wegen meiner Erkältung hatte sie schon drei Tage gewartet. |2| Nun die Sache sich doch als ganz ungefährlich erwies mochte ich sie nicht länger halten u. so fuhr sie Samstag weg, nachdem sie noch versucht hatte Frau Sch. im Hotel zu treffen. Hinterdrein erfuhren wir daß sie bei der Familie Fles abgestiegen war. – Emma nimmt den Mecklenburger Aufenthalt nebenbei für ihr Concert am 1. April sich zu Nutze. Sie hat Dienstag bei der verw. Großherzogin gespielt u. wird morgen in einer Kammermusik mitwirken. Wenn, wie ich nicht zweifle, dies öffentliche Auftreten gut ablaufen wird, dürfen wir hoffen daß ihre Angst an dem 1ten wenig-|3|stens keine lebensgefährlichen Dimensionen annehmen wird. Sie wird (in Schwerin u. hier) den herrlichen As-dur Canon aus Op. 56 spielen, eins ihrer Lieblingsstücke, das sie noch gut von Ihnen in den Ohren hat. Außerdem Scarlatti, vielleicht auch Bach. Mit Joachim Brahms A. dur Sonate u. Beethoven Op. 96. Herr Messchaert wird 8 Lieder aus „eine Liederreihe“ Op. 55 von R. Sch. singen. Es wird gewiß ein hübsches Concert. Auch ist die Theilnahme von hier u. auswärts bereits sehr groß.
Der neue Flügel ist da. Abgesehen von einigen weniger schönen Tönen in der dritten u. vierten Oktave ein herrliches Instrument, von wundervoller Ausgiebigkeit |4| und vollendeter Mechanik. Emma hat ihn nur eine Stunde vor ihrer Abreise aber einmal anschlagen können, als er gerade ausgepackt war. Ich freue mich daß sie endlich ein ihrer würdigeres Instrument erhält. Das wird die Lust an der Kunst auch beleben.
Und nun habe ich Ihnen noch nicht für Ihre so herzlich theilnehmenden Glückwünsche zu meiner Kopfcur gedankt. Bis heute hat sie sich bewährt. Auch während der 5 Fiebertage der Influenza blieb mein Kopf frei: Was will man mehr? Ich kann nun wirklich eine zweite Jugend erleben. So gut wirds nicht Jedem der die ersten 50 bald hinter sich hat. – Wenn es irgend einzurichten geht, liebe Frau Schumann, suchen wir Sie diesen Sommer auf, in Franzensbad, Obersalzberg oder wo sichs machen läßt. Da hören wir dann hoffentlich auch von Ihnen u. all den Ihrigen recht ausführlich u. viel Gutes u. dürfen uns Ihrer aller Güte u. Freundschaft in lebendiger Nähe wieder einmal von Herzen freuen.
In wärmster Verehrung
Ihr Th W Engelmann.

  Absender: Engelmann, Theodor Wilhelm (423)
  Absendeort: Utrecht
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
715ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,60
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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