23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 18300
Geschrieben am: Samstag 19.09.1891
 

Utrecht 19 Sept. 91.
Verehrte, liebe Frau Schumann!
Wie der Sommer so manchen schönen Plan zerstörte, so ward auch uns die Hoffnung, Ihnen irgendwo zu begegnen, leider wiederum vereitelt. Wir hatten nach Ihrer freundlichen Aufforderung, die zudem von Capello stark unterstützt ward, sehr ernstlich an Franzensbad gedacht. Aber schließlich ließ es sich mit den mancherlei Pflichten gegen Eltern u. Kinder doch nicht vereinigen, u. so blieben wir im Norden, |2| einen Theil der Zeit im Harz (Ilsenburg), einen anderen in Mecklenburg. Der Anfang der Schulen führte uns Anfang September wieder her. Emma brachte leider einen tüchtigen Katarrh mit, der sie noch ans Haus fesselt u. auch Ursache ward, daß ein für den 14 Oktober mit Herrn R. Hausmann u. Frau Antonie Speyer in Crefeld geplantes Concert aufgeschoben werden mußte. Einen Augenblick dachten wir noch an eine Luftkur in Ems oder auch Baden-Baden, wo wir dann am 13ten den elektrischen Draht nicht als Surrogat nöthig gehabt hätten, – es war aber doch nicht zu ermöglichen! Nun drängt |3| es mich aber doch, Ihnen zu sagen, wie gerne wir gekommen wären. Das vergangene Jahr hat Ihnen wieder so viel Schweres gebracht, daß das Verlangen nach einem Zeichen herzlichster Theilnahme doppeltes Bedürfniß für uns ist. Es ist eine traurige, aber doch schöne Pflicht der Uebergebliebenen, die der Hingang theurer Menschen auferlegt, verlorene Liebe u. Freundschaft zu ersetzen. Wer sie nur im ganzen Umfange erfüllen könnte! – Wie mag Ihnen dieser nasse, stürmische Sommer bekommen sein? Ich setze voraus, daß er in Vorderegg nicht besser war als anderwärts, wo man im Freien ja einer fortwährenden Kaltwasser-|4|behandlung ausgesetzt war! Mit Angst u. Mitleid denkt man aller, die von Rheumatismen zu leiden haben. Möchten Sie eine glänzende Ausnahme gebildet haben! – Diesen Winter hoffen wir einmal wieder Brahms in Holland zu sehen, womöglich mit einem größeren neuen Werke. Er kann jetzt in Amsterdam über ein sehr schönes Orchester verfügen, dem nicht leicht eine Aufgabe zu schwer sein wird. Auch die Chöre sind ganz prachtvoll. Es kommt also nur darauf an sie zu benutzen. Wir fürchten aber, Br. wird etwas zu bequem für all solche Anstrengungen! Zugesagt hat er noch nicht. – Emma übt sehr fleißig an den Davidsbündlertänzen, über deren kolossale Genialität man nur immer aufs Neue in Staunen u. Entzücken kommt. Wenn doch unsere Zeit etwas von diesem Ueberfluß der Erfindung hätte! Wie nüchtern nimmt sich dabei Alles aus was sie producirt, wie greisenhaft, wie unnöthig!
Mit den herzlichsten Grüßen von Emma an Sie u. die Ihrigen
Ihr treu ergebener ThW Engelmann

  Absender: Engelmann, Theodor Wilhelm (423)
  Absendeort: Utrecht
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
719f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 6,91
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.