23.01.2024

Briefe



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ID: 18320
Geschrieben am: Dienstag 23.11.1880
 

München, 23. Nov. 80. Arcisstraße 32/I.
Liebste, verehrte Frau Schumann,
Daß wir nun doch in München einziehen mußten, ohne Sie vorher noch einmal zu sehen, war uns recht schmerzlich und gerne hätte ich Ihnen dies schon längst gesagt, aber das Einrichten der Wohnung hat so viel länger gedauert, als wir dachten, daß wir erst seit ganz kurzer Zeit wirklich wieder von Ruhe und Behaglichkeit reden können. Es waren schreckliche Wochen, die Langsamkeit der hiesigen Handwerker zum Verzweifeln, aber dafür sind wir auch nun belohnt u. sitzen in einem ganz besonders behaglichen Nest. Wie sehnlich |2| wünsche ich die Zeit herbei, wo es mir vergönnt sein wird es Ihnen, liebste Frau Schumann bei uns so behaglich wie möglich zu machen; bis Ostern ist gar so lang! Aber nicht wahr, Sie gedenken noch Ihres Versprechens u. erfüllen unsern sehnlichsten Wunsch, Sie bei uns beherbergen zu dürfen? Seien Sie nur nicht böse, daß ich solch’ ein Plaggeist bin und immer wieder darauf zurückkomme. – Der ganze Sommer ist nun wieder vorbeigegangen u. ich habe Sie nicht gesehen, das will mir gar nicht in den Kopf und jetzt da wir nicht mehr so nah an Leipzig sind, habe ich nicht einmal die Hoffnung Sie dort zu treffen, all’ mein Hoffen ist nun auf Ostern gerichtet! –
Welch’ herzlichen Antheil ich an dem Leiden Ihres armen Sohnes nehme, brauche |3| ich <nicht> Ihnen kaum zu versichern; ich weiß durch Andere wie schmerzhaft Gelenk-Rheumathismus ist u. kann mir denken, wie schrecklich es für Sie sein muß sein Leiden mitanzusehen ohne ihm helfen zu können. Aber die gute Nachwirkung von Teplitz wird sich gewiß noch einstellen; wirken doch solche Bäder meist erst nach Monaten. –
Der „Meister“ hat München wieder verlassen, aber bei seinen Freunden höchst bedenkliche Spuren zurückgelassen; Levi war so herunter in jeder Beziehung, mit einem Wort das was man hier zu Land „Troddel[?]“
nennt; er mußte für einige Tage verreisen, um wieder vernünftig zu werden; aber er ist nur sehr mäßig erfolgreich gewesen. – Wir sind aber nicht zugelassen gewesen, da wir weder in dem Patronatsverein noch |4| überhaupt zu seinen Anhängern zählen u. Levi erlaubt nur, daß ihm solche nahen, die würdig sind u. fromm dahinwandeln in der Furcht des Meisters. Im Theater ist W. natürlich sehr gefeiert worden u. es war ein merkwürdiger Anblick ihn in „Tristan u. Isolde“ umgeben von 5 Kindern von seiner Loge aus danken zu sehen. Wie muss sich sein armer 10jähriger Junge Siegfried von 6 bis 10 1/2 Uhr gelangweilt haben! –
Sie sehen, liebste Frau Schumann, ich weiß nichts Interessantes zu erzählen; vielleicht interessirt Sie noch daß Lenbach ihm im Atelier ein Zauberfest gegeben hat, überhaupt zu seinen Günstlingen zählt, ebenso hat Freund Allgeyer bei dieser Gelegenheit sich W. genähert u. Frau Eller beherbergt augenblicklich stolz die 2. Tochter Blandine v. Bülow bei sich, welch’ Letztere mich frug, ob ich Wagnerianerin sei, was ich verneinte u. seit der Zeit verachtet bin. – Eugenie viele herzl. Grüße; sie muß sich nun bis 1. Dez. mit meinem Brief gedulden; ebenso herzl. Grüße an Frl. Marie. Mein Mann sendet Ihnen mit mir die schönsten Grüße.
In Treue
Ihre ergebene
Mary Fiedler.
Hoffentlich ist das Unbehagen in Ihrem Arm nur vorübergehend; strengen Sie ihn nur um Gottes Willen nicht zu viel an; wäre ich nur in Frankfurt; welche Freude wäre es für mich Ihnen als Sekretär etc. behilflich sein zu dürfen.

  Absender: Fiedler, Mary (450)
  Absendeort: München
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Frankfurt am Main
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
925ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,84
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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