11. Sept. 78.
Meine theuerste Frau Schumann,
Neidisch auf Jeden der Ihnen an Ihrem Geburtstage nahe ist u. Ihnen die Hände küssen darf, will ich doch auf Ihrem Festtisch wenigstens symbolisch mit einer Kleinigkeit vertreten sein die Sie einen Augenblick in die lieben Hände nehmen – unansehnlich wie das Ding auch ist, u. unwerth eines Plätzchens, wo die Kunstwerke der Filu u. Eugenie oder gar der Tochter Elise prangen! – letztere zwar ist durch liebe Sorgen vielleicht verhindert gewesen, etwas zu arbeiten u. ich brauche in dem Fall nicht ganz so schamroth zu werden, wie ich es, ein armseliger Dilettant Angesichts<> dieser Virtuosin, müßte. Könnte ich nur hoffen, dass Sie Ihren Festtag heiter u. ungetrübt verleben – aber ich weiss ja, dass Ihnen alte Sorgen neu erwacht sind u. dass Ihr Herz unfähig ist, irgend eine Freude jetzt ohne diesen schmerzlichen Beigeschmack zu genießen. Nur lassen Sie nicht ganz von der Hoffnung, lassen Sie Ihr liebes Haupt nur noch nicht sinken! Ist doch aus so manchen Schatten wieder Licht geworden u. sollte nicht auch für Sie der Himmel mal ein Uebriges thuen u. im Gewähren überfließen, gleichwie Ihr ganzes Wesen stets überfloß, von künstlerischer Kraft u. menschlicher Güte, u. Sie in jede Richtung immer „über Bitten u. Verstehn“ leisteten u. spendeten? Sie, die so viele beglückt u. schon durch die blose milde Wirkung Ihres Wesens bereichert haben, Sie wissen gar nicht, mit welchem Gefühle man einen Wunsch im Innern für Sie formt – es ist als müßte man’s erzwingen können, dass was man für Sie wünscht auch in Erfüllung gehe, zum Dank u. zum Lohn für alles was man von Ihnen empfangen! Ich will nicht alles bei Namen nennen was ich mir denke; große u. kleine Dinge schieben sich in meinen Vorstellungen durcheinander; aber alles läuft auf das Eine hinaus, dass ich Sie ein Glück u. Behagen genießen sehen möchte, von dem Sie noch das Zehnfache verdienten. Und damit will ich mich verabschieden, haben Sie Aermste doch noch so viele Geb.tagsbriefe durchzulesen. Brahms besuchte uns auf zwei Tage hier – die Ohren müssen Ihnen geklungen haben, denn, wovon wir auch sprachen immer kehrten Gedanken u. Worte wieder zu Ihnen zurück – mein Heinrich grüßt Sie mit seinem festtäglichsten Gruß, u. wir beide bitten dass Sie uns auch in Frankfurt ein wenig lieb behalten womit Sie immer innig beglücken werden
Ihre Ihnen ganz u. gar ergebene
Lisl Herzogenberg
Mit einem gesticken Theetuch von der Frau.
In die blauen Blumenranken
wand ich liebende Gedanken,
meine Treue ohne Wanken
schloss ich ein in enge Schranken.
Fern vom Osten kommt ein Duft-Heu;
räthselhaft zuerst und luftscheu,
lebt es auf in heisser Welle,
süsse Kraft entspriesst ihm schnelle.
Also muss mein stiller Garten
auf dein segnend Auge warten,
um, bethaut von deiner Güte,
zu entfalten Blüth’ an Blüthe.
Wirst Du, trotz der engen Schranken,
all’ die Treue ohne Wanken,
alle liebenden Gedanken
lesen in den blauen Ranken?
zum 13. Sept. 1878
Der verrückerte Heinrich.
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