23.01.2024

Briefe



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ID: 18576
Geschrieben am: Donnerstag 20.04.1882
 

Leipzig. 20. 4. 82.

Liebste beste Frau Schuman,

Ich kann nicht sagen wie betrübt mich Ihre liebe freundliche Karte gestern Abend machte; wir haben den ganzen Winter danach ausgeschaut u. uns drauf gefreut, Sie endlich einmal in Frankfurt zu besuchen, u. ein doppeltes Bedürfniß war es uns geworden weil Sie dies Jahr nicht herkamen, u. nun ist die feste Hoffnung in der wir uns wiegten doch zu nichte geworden, u. aussichtslos, traurig muß ich mich hinsetzen Ihnen dies zu schreiben<:>! Die Sache ist die daß wir erst im Mai im Stande wären die Fahrt zu Ihnen auszuführen, weil wir jetzt in der nothwendigsten Vorbereitung zu unsrem letzten Bachconcert (am letzten Apr.) stecken, ich aber in die traurige Nothwendigkeit versetzt bin, am ersten Mai wieder auf 4 Wochen nach Jena zu fahren um den Rest von Entzündung den ich noch haben soll mir wegcuriren zu lassen. Es ist diesmal ein harter Entschluß für mich, da ich mich so vollkommen wohl fühle u. durch Nichts dazu getrieben werde, aber unser Hausarzt sowohl wie der Jenaer Specialist besteht darauf u. da mir der Jenaer vorigen Sommer voraussagte daß ich mit einem Male nicht ganz ausgeheilt werden könne, so darf ich mich ja auch nicht beklagen. Aber doppelt traurig wird es mir weil ich doch dadurch um die Freude komme Sie in Frankfurt zu besuchen u. so sicher darauf gerechnet hatte. Bedauern Sie mich ein wenig liebe theure Frau, es ist so sehr traurig für mich u. überhaupt schon mit ganz gesundem Leibe sich wieder so hinzustrecken u. die Kranke zu spielen. Ich hasse dergleichen so sehr u. hätt’ ich nicht solchen Grund dem Jenaer Arzt der mich von einem jämmerlichen zerstörten Menschen in kurzer Zeit zu einem so frischen u. fidelen machte, ich würde entschieden protestiren. Er versicherte aber, was er schon früher gesagt, daß solch eingerostete Entzündungen immer einer Nachcur zu ihrer gänzlichen Beseitigung bedürfen u. meint, wenn ich mich nicht jetzt ergäbe könnten die alten Qualen sich wieder einstellen, also muß ich doch brav sein! Sie fragen mich ob ich Sie nicht vergesse – Sie theuerste Frau, das kann ich nur Sie fragen, denn ach mein schnell verrauschend Bild stellt sich’s Euch wohl einmal wenn wir uns so selten sehen? Ich hab kein Recht daran zu glauben obwohl ich mir es so wünsche daß Sie mir etwas in Ihrem so generösen Herzen bewahren. So viele Menschen beanspruchen mit größerem Recht dasselbe von Ihnen u. wenn Sie mir durch alle Ferne gut bleiben so weiß ich wohl hab ich es nur Ihrer lieben Treue zu verdanken, u. vielleicht unsrer Verehrung für Sie von der Sie doch wohl eine kleine Ahnung haben. Sie Liebe Geliebte ach es thut mir doch so an daß ich Sie voraussichtlich so lange nicht sehen werde u. ich habe ein so starkes Bedürfniß mit Ihnen über so Manches zu reden, von Ihnen zu lernen, Ihnen als Mensch u. Musiker wieder mal in’s Auge zu sehen; diese ganze Fülle von Bereicherung entgeht mir nun u. mit mir meinem Manne der Ihnen so ganz ergeben, u. dem ich den belebenden Contact mit Ihnen nach langer Entbehrung so gegönnt hätte! Verzeihen Sie mein schlechtes rasches Schmieren, aber ich habe mein Hausl wieder einmal voll Gäste, mein Bruder mit Familie ist bei uns nach langer Zeit wieder einmal, u. das nimmt einem doch alle Muße. Das Bischen was ich mir von Zeit erobere muß ich auf mein Bachsches Concert verwenden das ich auf höhere Ordre im Hausconcert spielen muß, ich armer kecker Floh! Ich muß also enden. Haben Sie tausend tausend Dank für Ihre lieben Zeilen u. die wiederholte geäußerte freundliche Aufforderung zu Ihnen zu kommen. Ich mag Ihre Karte gar nicht mehr angucken denn das Herz thut mir dabei weh. Bleiben Sie uns ein Bischen gut trotz allem, wir brauchen das u. lassen Sie mich die Hoffnung nicht aufgeben daß es doch noch einmal zur Verwirklichung unsres so heißen Wunsches kommt.
Leben Sie wohl u. lassen Sie uns beide in Gedanken Ihre lieben Hände küssen. Die Töchter sollen uns auch nicht ganz vergessen. In treuster Anhänglichkeit u. unbegrenzter Verehrung
Ihre Lisl.

  Absender: Herzogenberg, Elisabeth von (691)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
484ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,166
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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