23.01.2024

Briefe



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ID: 18733
Geschrieben am: Samstag 24.05.1879
 

Loschwitz 24. Mai 79.
Verehrte liebe Freundin!
Nehmen Sie meinen herzlichsten und innigsten Dank für die liebenswürdige Ueberraschung, die Sie uns mit dem köstlichen Festmarsch bereitet haben! Der treffliche Wüllner erschien zum ersten Morgengruß mit einem Chor von 23 Damen, um schöne Lieder von Hauptmann, Mendelssohn, Schumann, Hiller u Wüllner selber zu Gehör zu bringen, die uns in die köstlichste Stimmung versetzten, als zum Schluß Ihr prächtiges Werk von Frau Sewell und Frau Gliemann vorgetragen, uns wahrhaft rührte u entzückte. Der so überaus sinnige Gedanke, das unübertreffliche Lied von Großvater und Großmutter zum Thema zu nehmen, ist an sich schon so reizend sinnig und nun erst in dieser prächtigen Ausführung. Dazu nun Ihr eignes köstliches Autograph, eine Handschrift, die von nun an im Archiv der Familie die werthvollste Perle sein u bleiben wird. Nehmen Sie noch einmal, liebe verehrte Freundin unsern innigsten Dank dafür! Der weitere Verlauf des Tages war ein entsprechender, ein Wechsel von Liebesspenden u Dankergüssen, der nicht endete. Meine älteren Schüler, jetzt zumeist nicht nur Meister, sondern angestellte Professoren, brachten mir unter Julius Scholtz’s Führung u Anrede einen prächtigen Goldpokal zum Festtrunk, dann meine beiden vorgesetzten Herrn Minister den, von S. Maj. dem Könige mir verliehenen Stern zum Albertsorden, meine Kinder einen künstlerisch vollendeten Broncetafelaufsatz mit reizenden Figürchen, die 4 Städte unseres Aufenthalts, erst meine kleine Geburtsstadt Oels, ein reizendes kleines 10jähriges Mädchen, die einen Lorbeerkranz reicht, dann Düsseldorf ein munterer Knabe mit der Palette u dem Römer voll Rheinwein, dann Dresden mit Feder u Buch, als Repräsentantin meiner schriftstellerischen u dichterischen Thätigkeit u Berlin als erstes Atelier. Blumen in erdrückender Menge, schönste Lorbeer u Myrthenbäume p für den Garten, Kunstwerke aller Art, kostbares Geräth p kurz wir kamen nicht zur Besinnung! Große Familientafel mit allen Kindern u Kindeskindern, u Bendemanns aus Berlin u Düsseldorf! Den Tag schloß ein großer Lampionzug der Kunstgenossenschaft von Blasewitz aus, mit Rede und Gegenrede, Musik u Hoch’s in der herzlichsten u sinnigsten Weise.
Sie werden, liebe Freundin, meinem Briefe noch die Erregung anfühlen, aber ich wollte Ihnen zuerst danken u berichten! Meine Frau ist, wie Sie denken können, überaus thätig gewesen, einige 20 Personen im Hause untergebracht u verpflegt, will etwas sagen! Sie bringt Ihnen durch mich den innigsten Dank, ebenso grüßen die Düsseldorfer Bendemanns aufs herzlichste. Leider ist Eduards Auge wieder leidend, sonst sind beide frisch, u wir altes goldenes Braut und Ehepaar haben Gottlob ganz munter ausgehalten! Das Wetter war köstlich u. ist jetzt wahrer Sommer, nachdem es noch den Tag vorher geregnet hatte. Gruß an alle Ihre Lieben, u behalten Sie lieb, Ihren alten goldnen Freund Julius Hübner.

  Absender: Hübner, Julius (747)
  Absendeort: Loschwitz
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 6
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Eduard Bendemann, Julius Hübner, Johann Peter Lyser und anderen Dresdner Künstlern / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Renate Brunner, Michael Heinemann, Irmgard Knechtges-Obrecht, Klaus Martin Kopitz und Annegret Rosenmüller / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2014
ISBN: 978-3-86846-017-9
647ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,388
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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