23.01.2024

Briefe



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ID: 18833
Geschrieben am: Mittwoch 17.07.1878
 

d. 17ten Juli, 1878.

Liebe Frau Schumann!

Sie denken gewiß Ihr Brief sei verloren gegangen, da ich Ihnen noch nicht gedankt habe für die große Freude, die mir Ihr treues Gedenken meiner am Geburtstage1 bereitet hat. Nein, er ist angekommen, und ich bin nicht unwürdig so liebevollen Grußes – aber Sie kennen mich ja, es giebt Zeiten wo mir das Schreiben schwer wird, und ich lasse mich dann, vielleicht gerade im Gefühl es so recht redlich mit meinen Freunden zu halten, in unverzeihlicher Weise gehen. Und jetzt sollte ich es Ihnen gegenüber besonders nicht thun. Wir sind auseinandergezogen, unter Verhältnissen, die es mir doppelt schmerzlich machen, als Menschen, und als Künstler! Da muß man sich auch äußerlich sagen, oder wenigstens zeigen, daß es beim Alten geblieben ist mit der herzlichsten Freundschaft. Nicht wahr, das ist es; und ein lieberer Beweis, wie Ihr Schreiben konnte mir nicht werden. Denn wirklich, Sie haben mich so verwöhnt, daß ich mir an meinem (47ten!) Geburtstage traurig sagte, seit lange das 1te Mal ohne Gruß von Frau Klara ! Nun tausendfältig Dank. – Ich wollte, Sie wären am 29ten Juni hier gewesen: wir führten mit Orchester und im Costüm den 2ten Akt aus Freischütz, und die beiden ersten Akte aus Mozarts Figaro auf. Wenn Ihnen auch manches gefehlt hätte, das sorgsam einstudirte Ensemble der Sänger mit dem Orchester hätte Ihnen in dem kleinen Saal (Schauspielhaus, wo das französische Theater spielt) bei der göttlichen Musik Freude gewährt, und ich dachte Ihrer oft, bei mancher schönen Stelle. – Ich bin seit dem 5ten d. M. allein, die Meinen sind schon in Salzburg, Villa Joachim, Aigen. Auf der Rückreise suchen Sie sie doch auf? Bitte, bitte, wenn ich auch nichts davon habe, denn ich muß bis zum 31ten hier aushalten. Seien Sie auch so gütig mir Ihre Sommerpläne mitzutheilen; vielleicht kann ich Sie vor Hamburg aufsuchen, wenn sich’s glücklich fügt. Ich denke sonst Sie verzeihen mir mein Warten nicht. – Ich habe Ihre Adresse der Janotha mitgetheilt, die sehr beglückt über den Londoner Erfolg hier vorsprach. Mit wärmsten Grüßen, auch an Marie und Eugenie Ihr Jos.
Joachim

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort: o. O.
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
1183ff

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,278
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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