Liebe verehrte Frau Schumann!
Gestern Morgen kam ich hier an, und heute Nachmittag um 4 Uhr reise ich nach Berlin. Die anderthalb Tage werden mir unvergeßlich bleiben, ebenso der beiden herrlichen Kunstwerke wegen, als durch die unvergleichlich liebenswürdige Aufnahme des Herzogs und der Seinen. Sie können sich vorstellen, daß ich viel an Sie gedacht, und daß ich und Alle Sie sehr vermißt haben. Sie hätten das Trio und das Quintett recht mitgenossen. Beides sind Werke durchweg ihres Urhebers ganz würdig, dessen Schaffensfrische in nichts nachläßt! Das Trio ist für Clavier, Violonell und Clarinette, das Quintett für Streicher und Clarinette. Letzteres ist vielleicht tiefer, ersteres freundlicher; namentlich sind beide Adagios von breitem Atem, immer reichster Empfindung. In dem des Quintetts ist sie so tief, das Ganze so eigenartig fantastisch (fast zigeunerhaft frei bisweilen), daß es Einen mit jedem Mal mehr packt. Aber auch die andern Sätze so meisterlich, so musikalisch dahinflutend, daß man dem Schöpfer solcher Tongestalten aufs wärmste dankbar ist. Unvergleichlich anmuthend sind auch die beiden das Scherzo vertretenden Allegrettoartigen Sätze, das im Trio mehr österreichisch ländlernd, das Andere eher slavisch angehaucht. Nun, ich hoffe zu Gott, Sie hörens auch bald einmal und stimmen mir dann freudig bei. Brahms ging auf meinen Vorschlag, die Stücke in unserm nächsten Berliner Quartett zu bringen am 12. December aufs reizendste ein, will selbst spielen. Ihm zu Liebe soll einmal von unserer Gewohnheit nur Streichmusik zu bringen abgegangen werden: das muß der Dümmste verstehen!
Doch nun Adieu, und tausend Grüße Ihnen und den lieben Töchtern. J. J.
Ich bin Joachim auf das Herzlichste dankbar für diesen Brief und füge nur meine besten Grüße hinzu. J. Br.
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