23.01.2024

Briefe



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ID: 18867
Geschrieben am: Donnerstag 26.02.1880
 

Max Kalbeck

IX., Beethovengasse 3
1. Stiege, 3. Stock.
WIEN, den 26. Febr. 80.

Hochverehrte Frau!
Diesmal bin ich derjenige, der auf Antwort warten läßt, und bitte Sie der langen Verzögerung wegen gar sehr um freundliche Nachsicht. Bald nach dem Empfang Ihres letzten Briefes trat eine plötzliche Veränderung meiner Verhältnisse ein, die mir so überraschend gekommen ist, daß ich immer noch zweifle, ob ich wirklich seit zehn Tagen in Wien sitze als wohlbestallter Redacteur und Musikkritiker<s> eines am 1. März mit großartigen Mitteln in Scene gesetzten Zeitungsunternehmens. |2| Meine Stellung verspricht eine in jeder Beziehung angenehme und ersprießliche zu werden, und ich denke, sie wird auch unserem Vorhaben außerordentlich zu statten kommen. Gleich in der ersten Nummer soll Ihre Anzeige im redactionellen Teile des Blattes erscheinen, und ich werde dafür sorgen, daß sie überall nachgedruckt wird. Die Nummer 1 geht in 50 000 Exemplaren in aller Herren Länder, und diesem günstigen Umstande verdanken wir es, daß unser „Aufruf“ gleich in der ganzen Welt gelesen wird; ich lasse Ihnen sogleich ein Exemplar zugehen. |3| Was Ihren Vorschlag in Bezug auf die Verbindung mit Härtel anlangt, so kann ich ihn nur billigen und mit Dank acceptiren. Wir behalten auf diese Weise vollständig freie Hand und können nach Belieben schalten. – Befremdet haben mich Ihre Bedenken, Ihr Material werde nicht ausgiebig genug sein. Nach dem, was Sie mir persönlich über die Manuscripte mitgeteilt, und was mir auch von Herrn Brahms versichert wird, muß jeder Zweifel ausgeschlossen bleiben. Auch ich war mir über die Kostbarkeit Ihres Schatzes nie im Unklaren, nur hätte ich gern den Umfang seines Werthes vorher kennen gelernt, bevor |4| die Unterhandlungen mit Verlegern beginnen. Sie werden doch, meine hochverehrte Frau, nicht aufs Neue wankend geworden sein in Ihren schon fertigen guten Entschlüssen? Oder fehlt es Ihnen noch immer an Vertrauen zu mir – trotz meiner heiligen Versprechungen?
Im Juni will ich, sobald ich hier abkomme – was keine Schwierigkeiten machen wird – die Frankfurter Reise antreten5 und hoffe bis dahin noch recht oft recht Gutes von Ihnen zu hören.
Mit freundlichem Gruße
in Verehrung
Ihr ergebenster
Max Kalbeck
Redacteur der „Wiener Allgemeinen Zeitung“.

  Absender: Kalbeck, Max (785)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
618f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,15
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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