Theure Freundin!
Nur Ein Trost auch im tiefsten Schmerz ist wahrhaft und unerschöpflich, weil er an die edelsten Züge im Menschengemüth sich wendet, an das Gefühl der Mitfreude mit Anderen und an das der Gerechtigkeit: der Trost, dass neben das Leid des Einen die Gunst des Schicksals beim Anderen tritt, und neben den Schmerz in der einen die Befriedigung in der anderen Beziehung auch derselben Person. Heute freue ich mich, durch beiderlei Art veranlaßt zu sein, Ihnen herzliche Grüße zu senden. Ganz im Vertrauen melde ich Ihnen, liebe Freundin, dass die Sache der Schumann-Stiftung im Wesentlichen vollendet, zu einem gedeihlichen im schönsten Sinne ehrenvollen Ziele geführt ist. Auch die letzten, formellen Schritte, die noch zu thun sind, werden recht bald geschehen, und wir werden Gelegenheit haben, bei Ihrem nächsten Hiersein darüber zu sprechen. Für heute nur noch so viel, dass das Ganze nach Inhalt u Form in einer Weise verwirklicht ist, wie dergleichen in Deutschland gewiß höchst selten geschehen ist. Ich freue mich deshalb in Ihre Seele hinein von ganzem Herzen darüber. Sodann das deutsche Requiem von Brahms. Ich rede nicht von Erfolg, aber von der Wirkung, die es zunächst auf uns (wir waren zu vieren im Dom) geübt hat. Ich hätte mich gestern Abend hinsetzen und an Brahms ein Wort des tief empfundenen Dankes, ich hätte einen Glückwunsch an ihn richten mögen, dass es ihm gegeben ist, die Seelen mit Erhebung zu beglücken. Weshalb ich es nicht gethan, mag ich nicht erörtern; wir begnügen uns beide damit, Ihnen von unserer Freude an seinem Werke zu sprechen. Wer hat ihm den Text gemacht? oder stammt er aus seiner eigenen Feder?
Mit herzlichsten Grüßen für Sie u Ihre lieben Kinder
Ihr innig u treu ergebener
Lazarus
|