23.01.2024

Briefe



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ID: 19071
Geschrieben am: Mittwoch 31.07.1878
 

July 31.1878
1. Moreton Gardens
South Kensington.
London.
S. W

Meine liebe, Theure Freundin.
Ich erhielt gestern Ihren Brief vom 26sten –Ich brauche nicht zu sagen mit welcher Freude ich Ihnen Wunsche erfüllen würde – wusst ich recht wie ich es thun kann. Erstens: Wir gehen Sonnabend /d. 3. Augt./ von hier fort – da wir beinahe hin sind von der Londoner Winter-Frühling. und Sommer! Mein Mann muss durchaus Ruhe haben für 3 Monate – und so kehren wir hier erst |2| Ende October oder Anfangs November zurück. Ich könnte keine Stunden vor Mitte November geben – und dann – was soll ich auf einige Monate thun können, meine aller Gnädigste? Soll Signora Marchesi herausgejagt werden dazu gehört Zeit! – hat aber Frau Joachim villeicht ein Theil der Kehrung gemacht. dann ginge es leichter – aber ohne das Mädchen zu hören wird es uns sehr schwer |3| mich in irgendetwas zu binden! daß ist alles was ich sagen kann – dann ist das Engl. Clima im Winter sehr relaxing für die arbeitende Kehle. Ich wäre ja am liebsten nach dem Rhein damals gegangen um dort in Mildere Gegend die herrlichen Deutschen Stimmen /Frauen/ zu bilden so weit ich es hätte können! Aber – das gab ja ein zu schlechter Geruch |4| in Manchen Nasen – und so muss ich hier in dem schlechten Londoner Clima meine Kräfte spendiren. Ich habe hier eine Schwedinn gehabt die war doch 26. Jahre wenn sie zu uns kam – hat nach einem Jahre das Clima sehr gefühlt – und öfters nicht singen können. – An guten Willen Theure meine hochgestellte Frau Kunstschwester, sowie auch dem Mädchen zu dienen fehlt es bei uns keineswegs. Nur weiss ich nicht wie Frl. Fillunger es einrichten könnte in so kurze Zeit.|5| Unendlich leid thut es mir daß Sie nicht schreiben können – was heisst das? Können Sie nicht spielen?? Ich freue mich innigst Sie in Frankfurt von nun an zu wissen. es ist so freundlich am Rhein. Sie werden dort warm geliebt werden, dessen bin ich gewiss. und wenn vielleicht nicht so geistig interessant wie Berlin ist
Frankfurt doch viel wärmer und gemüthlicher – und das ist ja doch der grösste Gewinn für’s Herz! Meine Tochter |6| wurde am 5ten Juni verheirathet – und da ich nur diese Eine hatte – so können Sie sich denken welche Leere im Hause entstanden. Ich kann immer nicht begreifen daß sie fort ist! Sie hat aber ein reizenden Mann lebt nahe von Guildford – so ich habe nur eine Stunde Zwischen uns. Die Janotha hat uns auserorendtlich [sic] intressiert. Sie hat Genius
– und mit der vollkommenen Schule welche Sie von Ihnen |7| konnte erhalten – wo alles äecht – alles wohl – alles richtig – alles schön und gesund, und alles legitime gespielt wird – wie könnten Künstler sich anders als freuen über eine solche Erscheinung. Fein organisiert sind die Polen – welche wärme und Poesie steckt in dem Mädchen – und wie hängt sie an Sie! Für mich gab es, und giebt es nur drei wahre Künstler in der Welt / Ich meine |8| jetzt ausübende/ diese sind: Sie – Joachim und Signora Ristori. Ich verlange: Begabung – Schule und Meisterschaft – wo findet man den Dreiklang unter den jetzigen Unbedeutenheiten! Pfui – wie es in der Kunsth sowohl wie in der Welt aussieht! – Wir gehen nach Pontresina – wo dort – weiss ich nicht – unsere Briefe werden uns nachgesandt. so haben Sie uns noch was zu sagen so schreiben Sie auf hier – oder – mein jungster Sohn Ernst ist in Lausanne – Chez Mr . le Professeur Bieler – Avenue Agassiz. er bleibt dort einige Monate – und wird immer wissen wo wir sind – und kann mir immer leicht ein Brief nachsenden. Gott sey mit Ihnen meine geliebte Freundin – Ich verbleibe stets Ihre tief
ergebene Jenny Lind-Goldschmidt

  Absender: Lind, Jenny, verh. Goldschmidt (953)
  Absendeort: London
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
239-242

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,280
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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