23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 19514
Geschrieben am: Freitag 10.08.1866
 

Hamburg. 10 August 1866.

Liebe Frau Schumann,
Ich komme spät mit meiner guten Nachricht, doch es ging nicht anders
u Sie sind gut u verzeih’n. Am 7 N. M. 5 Uhr, nach einstündigem Leiden ist mein Clärchen von einem gesunden, braunen, großen Mädchen entbunden, genannt Gretchen. So heißt nämlich Mama Stockhausen u Clara wünscht daß |2| ihre Tochter so genannt werde. Daß meine Ferien in der Schweiz sich noch hinausgezögert haben wißen Sie vielleicht schon durch Herrn Levi. Wir waren noch zusammen in Zürich in der Nacht vom 21–22 July für Ihren lieben Brief viel’ Dank! mit Kirchner und Brahms. Meine Frau hatte eine Schwester bei sich u so gab sie mir viel längeren Urlaub als projektirt war: ich traf hier am 26 erst ein u hab es aber oft bereut denn |3| ich habe in der Schweiz doch nur Unruhe gehabt <u> oder dort nur wenige schöne wohlthuende Tage. Nun ist alles bei uns in Ordnung u die Freude ist ein guter Doctor. Nächstes Jahr reisen wir auf lange Zeit nach Süden. Vorgestern fand ich eine Stelle im 26t Band von Goethes Werken den Manfred betreffend. Ich weiß sie wird sie intereßiren u schreibe sie ab: „Eigentlich sind es zwei Frauen, deren Gespenster ihn unabläßig verfolgen, |4| welche auch in genanntem Stücke große Rollen spielen, die eine unter dem Namen Astarte, die andere, ohne Gestalt u Gegenwart, bloss eine Stimme. Von dem gräßlichen Abentheuer, das er mit der ersten erlebt, erzählt man folgendes: Als ein junger, kühner, höchst anziehender Mann, gewinnt er die Neigung einer Florentinischen Dame; der Gemahl entdeckt es und ermordet seine Frau. Aber auch der Mörder wird in der selben Nacht auf der Straße todt gefunden, ohne daß jedoch der Verdacht auf irgend jemand könnte geworfen werden. Lord Byron entfernt sich von Florenz, u schleppt sein ganzes Leben solche Gespenster hinter sich drein. –“ Ist das nicht erschütternd? Nun kennen wir den Manfred schon beßer! Was meinen Sie?
Herzlichst grüßt Sie u die lieben Ihrigen
Ihr J. Stockhausen

Heute ist der 3te Tag: Clara ist vollkommen gesund u hat 9 Stunden en suite geschlafen.

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
650f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,178
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.