Crefeld. 18. Maerz 1867.
Liebe Frau Schumann,
Wo Sie wohl der Brief erreichen wird? Wie oft such’ ich zu errathen wo Sie heute, wo Sie Morgen sind, wo Sie waren u seyn werden ob im West im Ost im Süd im Nord ob Dublin oder Manchester, ob Edinburgh od. London, denn auch ich habe einst mit Ernst für 50 Pfund Sterling, um dem Hunger zu entgehn (25 Pf. hatte ich schon geborgt) eine Reise von 31 Tagen u 33 Concerten |2| gemacht. Was war das für eine tragi-comische Zeit! Ueber’s Meer wollte der Accompagnateur Mori nicht u so mußte ich für die 50 Pfund auch Gepäck u Accompagnemento al P. Forte übernehmen. Man begreift nicht wie so ’was hat passiren können. – Und warum nicht? Am Ende muß man sich sagen: Du warst wohl 1851 nicht mehr werth u weißt heut zu Tage deine Stimme nicht viel beßer zu verwerthen. Auch die bittersten Erfahrungen sind gewißen Naturen unnütz u ich gehör leider zu denen die das Schlechte leicht |3| vergeßen u folglich die nöthigen Lehren aus dem Leben nicht zu ziehen wißen. – Doch nun zur Sache. Unsere Musiker, deren Pensionsfond-concert am 26 April stattfindet laßen unterthänigst durch ihren Dirigenten fragen ob Frau Schumann die große Güte haben würde nach den großen Anstrengungen in England uns zu unterstützen. Aufgeführt soll werden eine Symphonie ein Clavierconcert u Bruch’s Fritjof ’s Sage u daß wir zuerst an Sie dachten, verehrte Frau, werden Sie wohl, trotz des unpaßenden Moments, verzeihen. Wir wißen zwar nicht einmal ob es in |4| Ihrer Möglichkeit liegt England zu verlaßen zur Zeit wo eigentlich die Saison beginnt. Wir fragen aber an weil Ihre Mitwirkung Allen die grösste Freude bereiten würde. Es versteht sich von selbst daß die Frage des Honorars, wie früher, unerörtert bleibt, denn das Comite der Philh. Concerte hat diesmal die Sache in die Hand genommen.
Ueber meine Entlaßung ein ander Mal. Vieleicht kann ich mündlich im April ausführlich mit Ihnen darüber sprechen. Heute bestätige ich nur die Nachricht u bitte zu glauben daß ich triftige Gründe habe nicht länger mich zu binden. Wie das zu verstehn ist später. Mit tausend Herzensgrüßen unterschreibt mit Ihr Sänger
J. Stockhausen
Ich bitte Sie den lieben Freund Joachim u Ihre Tochter Marie freundlichst zu grüßen.
Adreße Hamburg
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