Basel, 31 Dec. 1886
Geliebte Frau Schumann!
Am letzten Tage dieses Jahres fühle ich mich gedrungen Ihnen für das kommende Alles Gute & Freundliche zu wünschen was auf Erden zu erlangen ist. In inniger Liebe denke ich Ihrer und in herzlicher Dankbarkeit für die treue Freundschaft welche Sie uns bewahrt haben. Könnte ich <diese> bald einmal persönlich Ihnen diese Empfindung aussprechen, so wär mir ein sehnlicher Wunsch erfüllt, denn wenn mich etwas betrübt, so ist es die Thatsache daß von dieses scheidenden Jahres 365 Tagen mir keiner Ihre liebe Nähe bescheert hat! –
Unser Christfest verlief sehr ruhig, die Aufführung des Weihnachtsoratoriums war unsre beste Bescheerung.
Mein Mann glückselig, die |2| Oboen d’amore (die für das Werk besonders construirt worden) klingen zu hören. Das herrliche Werk ge¬lang sehr gut, namentlich was die Chöre betrifft. Mit den Solisten hätten wir besser fahren können. Das Ehepaar Hildach singt zwar gut & mit schönen Stimmen, aber weder Gatte noch Gattin vermögen hinzureißen. Die arme kl. Hohenschild ist wahrscheinlich fertig, ihre Stimme klang sehr matt & schwach, so daß man sie manchmal nicht gut hörte. Das Familienelend wird sie wohl bald ganz verschlungen haben, schade um sie. Kaufmann war heiser, so heiser daß sein Gesang meinen Mann ein paar Mal zum Husten reizte, trotzdem gefiel er aber den Leuten. Das Nationa-litätsgefühl spricht hier gar sehr mit.
Unsern Baum haben wir am Hl. |4| Abend angezündet[,] bekamen auch hübsche Dinge geschenkt, der schöne Bücherschrank strahlte vor Allem hervor.
In 8 Tagen haben wir nun schon wieder ein Concert, das leidige Benefiz! Die Stunden beginnen am Montag < >, da wird der Tropfen Ruhe bald verdunstet sein.
Nun Gott befohlen, geliebte Frau Schumann sein Sie tausendmal gegrüßt. Den lieben Mädchen sprechen Sie unsre herzlichen Wünsche aus, möchte die l. Eugenie wieder recht gekräftigt in das neue Jahr eintreten.
Ihre getreue
Henriette Volkland
Hochverehrte, theure Frau Schumann!
Zum neuen Jahre sende ich Ihnen die herzlichsten Glückwünsche! Möge Ihnen nur Gutes darin beschieden sein, damit wir |4| Alle, Alle, uns Ihrer Liebe u. Freundlichkeit erfreuen können! –
Die neue Symphonie von Brahms, welche in dem Concerte, wo Frl. Fillunger sang, zum ersten Male aufgeführt wurde, hat mir so gefallen, dass ich sie gleich nach der C-moll rangieren möchte. Ich habe mich, nachdem ich das prächtige Werk, kennengelernt, gewundert, dass darüber so viel schiefe Urtheile abgegeben worden sind. Wenn ich nur Gelegenheit hätte, so ein Werk gleich mehrere Male hinter einander dem Publikum vorzuspielen! Das wäre die beste Art, es würdigen u. lieben zu lernen. –
Mit vielen guten Wünschen für Ihre lieben Angehörigen, grüße ich Sie in inniger Verehrung.
Ihr ergebener
Alfred Volkland
B. d. 31. 12. 86.
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